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Was war das für ein Wochenende! Die wichtigste Woche im Trail-Universum, die 20. Ausgabe des UTMB ist vorbei. TR24-Mitglied Paul Ruick war in Chamonix auf den 170 Kilometern am Start. Es lief nicht ganz wie geplant... Hier seine persönliche Rückschau auf das Rennen.

Der Ultratrail du Mont-Blanc ist sicherlich das größte Trailrennen weltweit und steht symbolisch für die Entwicklung des Sports insgesamt. Gestartet in 2003 als fixe Idee von der niemand wusste, ob es überhaupt möglich ist eine solche Strecke in einem Push zu bewältigen, ist es heute eine Veranstaltung die durchkommerzialisiert ist und tausende Menschen innerhalb einer Woche nach Chamonix zieht. Mittlerweile gibt es zig Rennen, von denen der OCC, der CCC und der UTMB selbst inzwischen als World Finals ausgetragen werden. Die Idee dahinter stammt vom Ironman mit dem der UTMB inzwischen eine enge Kooperation pflegt.

Für mich persönlich ging es mit 3 Jahren Verspätung erstmals auf die Strecke. Grundsätzlich hatte ich für 2020 einen der begehrten Startplätze ergattern können. Es sollte damals mein erstes Rennen über die teils mythisch anmutende Distanz von 100 Meilen sein. So zu sagen die Krönung meines Ultratrail-Lebens bis dahin. Leider kam es dann alles ganz anders. Die Welt kam zum Stillstand und mit ihr der komplette UTMB-Zirkus. Dennoch waren wir 2020 vor Ort in Chamonix und wohnten dem Einlauf von Pau Capell bei, der sich allein auf die Runde begeben hatte und versuchte seinen Traum von „Breaking 20, von Sub20 Stunden zu verwirklichen. Ein eindrückliches Erlebnis und ein Zeichen, dass selbst in einer Pandemie nicht alles auf Halt stehen musste. 

Hier findet ihr unser exklusives TR24-Interview mit Pau Capell. 

Da ich damals dennoch gern meinen ersten 100er laufen wollte, fuhren wir eine Woche später in die benachbarte Schweiz, wo ich im Rahmen des Swisspeaks erstmals die 100 Meilen zurücklegte. Ein unfassbar schönes Rennen, welches bis heute stetig in kleinen Schritten wächst und einen unheimlichen Charme versprüht. Übrigens soll es hier in 2024 ein Rennen über 660 km geben. Man darf gespannt sein, was daraus wird. Jedenfalls hatte ich mir mit diesem Rennen erstmals gezeigt, dass derartige Distanzen möglich sind. Darüberhinaus sind solche Rennen eine wunderbare Auszeit vom Alltag. Denn um diese erfolgreich zu bestreiten, muss man im Grunde für eine kleine Ewigkeit komplett bei sich sein und wenn man so will zum Eremiten werden. Man stellt sich den Bergen und sich selbst ganz offen. Aller Schein, der einen in der modernen Welt allzu oft umgibt, fällt von einem ab. Man kann nichts verstecken oder mit einem Filter glatt ziehen. Genau diese Ehrlichkeit ist es für mich inzwischen, welche den Sport für mich im Herzen attraktiv macht. Die Notwendigkeit sich auf sich selbst zu besinnen bestimmt mittlerweile am ehesten die Auswahl meiner Rennen.

 

Daher hat sich mein Fokus beim Sport und ganz besonders beim Traillaufen seit ich den Startplatz beim UTMB ergattern konnte verschoben. Folglich lief ich in den letzten Jahren eher Rennen, die als kleiner Gegenentwurf zum UTMB gelten können. Beispielsweise die Ultratour Monte Rosa oder auch das Cervino Matterhorn Ultra Race. Da mir aber nach der Absage von 2020 immer noch der Weg zum UTMB bis 2023 offen stand, meldete ich mich für dieses Jahr dann doch an und versuchte mein Glück.

Grundsätzlich strahlt Chamonix in dieser besonderen Woche eine ganz eigene Energie aus. Nicht nur finden permanent Rennen statt, die man teilweise über Live-Stream problemlos verfolgen kann, sondern man sieht an allen Ecken und Enden laufende Menschen. Man gewinnt fast den Eindruck, dass das Laufen hier für jeden zum Status Quo gehört. Dazu kommt ein vielfältiges Programm inklusive großer Messe, auf der nicht selten die neusten Produkte rund um den Sport zu sehen sind. Auch lassen sich eine Menge alte Bekannte treffen und neue Bekanntschaften schließen. In dieser Atmosphäre kann man super ein paar kleinere Runden drehen und die Seele eine wenig baumeln lassen, bevor man selbst die Schuhe zum Rennen schnüren muss.

Für mich sollte es Freitagabend um 18 Uhr losgehen. Normalerweise baut sich dann im Vorfeld immer eine gewisse Spannung, gepaart mit Vorfreude auf. Man schläft oft etwas unruhiger und verspürt beim Startschuss eine richtiggehende Erleichterung, weil das ewige Warten bzw. die Vorfreude endlich ein Ende haben. Diesmal war alles etwas anders. Auch wenn im Vorfeld hier alles super organisiert war (man hatte ja auch 20 Jahre Zeit alles zu optimieren), so war es nicht ganz einfach zum Start zu kommen. Bei knapp 3000 Laufenden muss man eigentlich schon sehr früh da sein, um überhaupt halbwegs nah an den Startbogen zu kommen. Ich hielt mich lieber länger im Schatten auf, was dazu führte, dass ich sehr weit hinten stand.

Als der Startschuss endlich erklang, dauerte es noch gut zwei Minuten, bis ich den ersten Schritt tun konnte. Quälend langsam schob sich die Masse durch die komplett überfüllte und ekstatische Innenstadt von Chamonix. Die ganze Welt schien verrückt zu sein. Sowas gibt es für Freizeitathleten wahrscheinlich kein zweites Mal auf der Welt. Im Grunde kann man es fast mit den ikonischen Anstiegen bei der Tour de France vergleichen. Der Nachteil daran ist, dass man kaum zu sich kommt. Man fließt einfach in der Meute mit und wird Teil einer Strömung ohne groß Einfluss auf das Geschen zu haben.

Nach knapp acht überwiegend flachen Kilometern kommt man bereits an der ersten Verpflegungsstelle in Les Houches an, wo die meisten sicher nur Wasser auffüllen. Die Party geht indes gefühlt ewig weiter und selbst im ersten Anstieg zum Col de Voza findet man keine besinnliche Ruhe. Trails gibt es auf diesem Abschnitt zum Glück nur sehr punktuell, da schmale Pfade regelmäßig zu Staus führen. Auf dem anschließenden Downhill nach St. Gervais findet man im unteren Bereich dann ein paar mehr Pfade, nachdem man im oberen Teil weitestgehend über Skipisten gelaufen ist. So ein richtiger Rhythmus wollte sich für mich bis hierin aber nicht einstellen. Durch den Ort selbst wurde man wieder von unzähligen Menschen gepeitscht. Es ist schon wirklich verrückt, mit welchem Enthusiasmus hier angefeuert wird.

Der nächste Abschnitt Richtung Les Contamines war tendenziell leicht ansteigend und weitestgehend laufbar. Gespickt war das ganze mit ein paar zackigen Up- und Downhills, die teilweise eher sinnlos anmuteten. Spätestens hier musste ich mir eingestehen, dass meine Beine immer noch ziemlich schwer waren. Das ganze hatte sich im Prinzip durch die letzten Wochen gezogen und auch das kontrollierte zurückfahren des Trainings vor dem Rennen hatte wohl nicht den gewünschten erholsamen Effekt gehabt. Folglich war ich bei jeglichen Anstiegen mit der Herzfrequenz weit über meinem normalen Bereich und ein Laufschritt war nicht zu halten. Erste Gedanken ans Aussteigen kamen dabei unweigerlich auf.

An der Verpflegungsstelle angekommen, war ich auch fast so weit mich abzumelden. Aber so ganz konnte ich mich noch nicht durchringen. Im übrigen hätte ich auch garnicht gewusst wo ich das hätte tun sollen, denn das ganze glich eher einem Oktoberfestzelt, als einer Verpflegungsstation. Bevor ich wusste was geschehen war, war ich aus dem Wahnsinn wieder raus und zu meiner Verwunderung immer noch auf der Strecke. Ich beschloss wenigsten über den nächsten Pass zu gehen und zu schauen ob sich meine Situation nicht doch wieder verbessern würde. Oft kommt man ja wieder rein in so einem Rennen. Diesmal wollte es aber so überhaupt nicht klappen und alle Performancemarker entwickelten sich stetig nach unten. Zudem wurde ich der Menschenmassen langsam überdrüssig. Auch wenn das stetige Anfeuern langsam nachgelassen hatte, blieb man doch permanent in einer Reihe von Mitlaufenden gefangen.

Eingereiht in diesem Trott schleppte ich mich noch über den Col de Bonhomme, der erstmals landschaftlich und läuferisch echte Highlights, sowie richtige Trails über eine längere Strecke bot. Eigentlich wäre die sternenklare Nacht mit einem hell erleuchteten Mond perfekt dazu angetan gewesen, um die sich erstaunlich klar abzeichnende Landschaft zu genießen und zu sich selbst zu finden. Aber inzwischen war die Gedankenspirale eher ein reisender Strudel in den Abgrund. Nicht nur stimmte die körperliche Form überhaupt nicht, vielmehr war ich auch das ganze drumherum zunehmend leid. Als ich dann in nach gut 50 Kilometern in Les Chapieux in das nächste Partyzelt hineinstolperte und vor lauter Menschen weder gescheit an die Verpflegung kam, noch einen ruhigen Sitzplatz fand, entschloss ich mich nach kurzer Zeit endgültig dem ganzen eine Ende zu setzen und stieg aus. Ein Schritt den ich ehrlicherweise bereits 20 Kilometer vorher hätte gehen sollen.

Was bleibt also nach dieser Erfahrung zu sagen? Am ehesten wohl, dass der UTMB sicher eine sehr professionelle Veranstaltung ist, die es schafft viele Menschen rund um die Welt zu vereinen und viele Menschen in Bewegung zu versetzen. Auf der anderen Seite hat mir diese Erfahrung persönlich ganz deutlich gezeigt, dass diese Art von Event nicht mehr meiner Vorstellung von Trailrunning entspricht. Für mich geht es unterm Strich mehr um die Erfahrung mit mir selbst. Pathetisch ausgedrückt vielleicht auch um ein Messen an der Natur. Die Frage wie weit kann ich gehen und was steckt wirklich in mir. Und auch wenn der UTMB oberflächlich sicher versucht diese Werte zu verkaufen und damit versucht Leute anzusprechen, kann ich für mich persönlich dieses Mindset hier nicht finden. Folglich gibt es für mich in Zukunft nur noch ein Rennen für das ich in dieser Woche nochmal kommen würde, und zwar den PTL. Bei diesem ist man im 2er oder 3er Team fast eine Woche in dieser unglaublichen Landschaft unterwegs. Hier liegt für mich immer noch ein besonderer Reiz, für den es sich lohnt von Chamonix zu träumen.

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