30. August 2023

Ultratrailrunner Pau Capell und sein Traum von „Breaking 20“ beim UTMB – Knackt er dieses Jahr die Sub20?

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Pau Capells Fußballkarriere war nach einer Verletzung vorbei. Es zog ihn auf die Trails. Schnell gehörte er zu den besten Ultraläufern der Welt. Mit seinem Sieg beim UTMB in 20:19 Stunden stellte er 2019 einen neuen Rekord auf. Nach einem Fehlversuch ist sein Ziel in diesem Jahr erneut: “Breaking 20”. Was treibt ihn an? Wir haben Pau Capell in seiner Heimat Ordino in Andorra zum Interview getroffen.

Pau, spätestens seit deinem Gewinn des UTMB 2019 traut man dir so einiges zu. Stehst du an der Startlinie, ist sofort eine gewisse Erwartungshaltung da. 

Seit dem Gewinn des UTMB 2019 spüre ich schon mehr Druck. Es ist aber mehr äußerlicher Druck als innerlicher. Das ist das Resultat guter Arbeit. Bislang habe ich eine gute Saison und keine Verletzungssorgen. Vor Rennen fragen mich immer viele Leute, ob ich Druck verspüre, zu gewinnen. Ich versuche, mich nicht zu stark auf die Resultate zu konzentrieren, sondern auf meine Performance. Wenn ich ein Rennen finishe und mit meiner Leistung zufrieden bin, dann habe ich mein Ziel erreicht, dann ist meine Arbeit getan.  

Was machst du in der Woche vor einem Rennen?

In der Rennwoche mache ich, im Vergleich zu den Trainingswochen, gar nichts. Ich mache einen lockeren Lauf, gehe Radfahren. Ich versuche ruhiger zu werden, eine andere Woche als sonst zu leben. Dazu gehört auch, Zeit mit meiner Freundin zu verbringen, ins Restaurant zu gehen, abzuschalten. Sonst sind meine Tage immer sehr voll mit Training, Physio, Ärzten. 

Läufst du lieber in Gesellschaft oder für dich alleine? 

Es kommt darauf an. Wenn ich alleine laufe, spüre ich keinen Druck. Ich kann mein Rennen laufen und die Ruhe genießen. Auf der anderen Seite brauche ich manchmal auch Gegenläufer, die mich pushen.  

Auf Ultra Distanzen verbringt man viel Zeit in seinen Gedanken. Was hilft dir durch schlechte Phasen während eines Rennens? 

Ich habe diese Phase schon hundertfach erlebt, ich kenne das Gefühl. Du musst immer im Kopf haben, dass diese Situation, in der es dir nicht gut geht, vorübergehen wird. Vielleicht schon in zwei Kilometern. Jeder hat mal ein Tief während eines Rennens, den anderen Läufern geht es da nicht anders. Ich versuche, mich auf das Jetzt zu konzentrieren und im Moment zu leben. Ja, es ist ein Scheiß Moment, aber man darf sich keine Sorgen machen und muss sich auf das Positive konzentrieren. Das kann die Freundin, die Familie sein, die einen anfeuert, die nächste Verpflegungsstation oder die Ziellinie, die auf dich wartet.

Ausdauersport fördert bekanntlich die mentale Stärke. Was war für dich anfangs schwieriger: Dass es dein Körper oder dein Kopf bis zur Ziellinie schaffen? 

Als ich 2014 mit dem Trailrunning angefangen habe, war es zu Beginn körperlich sehr herausfordernd. Ich wusste nicht, wie mein Körper reagieren wird, wenn ich 40, 60, 80 oder 100 Kilometer laufen werde. Ich habe viel unterschiedlichen Schmerz gespürt, das war eine neue Erfahrung für mich. Heute weiß ich, was passieren wird. Da ist die Herausforderung eher das Mentale. Dein Kopf macht am Ende im Rennen den Unterschied. 

Hast du ein Lieblings-Rennen?

Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man das sieht. Wenn ich ein Rennen gewinnen möchte, dann ist es der UTMB. Dieses Rennen verändert dein Leben. Wenn du dort gewinnst, gewinnst du die Champions League. Der UTMB ist Wahnsinn, die ganze Atmosphäre, die vielen Menschen – aber es ist mittlerweile eher ein Marketing Rennen. Ich bin in Europa, Japan, Australien, den USA gelaufen – aber es gibt keinen besseren Platz als Andorra, wo ich lebe. Das ist richtiges Trailrunning. Die Natur ist so abwechslungsreich und spektakulär, hier habe ich die besten Trainingsbedingungen. Andorra100 by UTMB ist also auch mein Lieblings-Rennen.  

Wie hat sich dein Leben nach dem UTMB-Sieg 2019 verändert? 

Puh (lacht). Mein ganzes Leben hat sich verändert. Nach dem Sieg wurde alles so richtig professionell. Davor war ich einfach nur ein ganz normaler Läufer. Ich habe damals noch bei meinen Eltern gelebt, nach dem UTMB konnte ich mir ein Haus in Andorra kaufen. Es ging auch eine ganze Marketing-Maschinerie los. Filmdrehs, Fotoshootings, Social-Media, das ganze Programm. 

Du bist auf Social-Media sehr aktiv – das kann Fluch und Segen sein. Wie ist es bei dir? 

Ich mag das, so kann ich mich mit Leuten verknüpfen. Ich verbringe wirklich viel Zeit auf Social Media, aber bekomme auch viel zurück, werde angefeuert, bekomme liebe Nachrichten. Nach dem Rennen in Andorra haben viele Videos und Fotos mit mir gemacht, ich bin mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen. Manchmal kann ich zwar nicht alle Nachrichten beantworten, vor allem vor und nach Rennen, aber ich gebe mir Mühe. Die Leute wissen, dass ich ein ganz normaler Typ bin. Kilian Jornet zum Beispiel ist eine andere Galaxie, er ist für mich kein normaler Athlet, im positiven Sinn. Für mich ist er der GOAT. Ich bin das nicht. Mit ihm kann man sich schwerer identifizieren, weil er im Stande ist Dinge zu leisten, die kaum ein anderer schafft. Als würde man sich mit Lionel Messi vergleichen, da kann man nur verlieren. Die Rennen, die ich laufe, kann jeder laufen. 

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“Breaking 20” ist dein großes Ziel, den UTMB-Loop von 171 Kilometern und 10.000 Höhenmetern in unter 20 Stunden zu laufen. In ein paar Tagen stehst du wieder an der Startlinie.  

Natürlich werde ich versuchen, den UTMB zu gewinnen, aber ich starte primär, um die Sub20-Marke zu knacken. Wenn ich damit auch noch gewinne, ist es toll, aber wenn ein anderer Läufer vor mir landet, ist es auch in Ordnung. Solange ich mein Ziel von “Breaking 20” erreicht habe. 

2020 bist du bei deinem Versuch noch gescheitert. Warst du danach sehr enttäuscht?

Mit der Zeit, ja. Ein Jahr vorher war ich noch 58 Minuten schneller. Aber das Endresultat war dennoch positiv. Natürlich haben wir mit der Ankündigung eine Erwartung aufgebaut. In Chamonix waren so viele Leute, die sehen wollten, wie ein Typ alleine versucht, den großen Loop in unter 20 Stunden zu laufen. Die Polizei meinte im Vorfeld zu uns, dass wir das Projekt nicht starten können, weil zu viele Menschen kommen werden, am Ende waren es 300-400 am Start. Wir haben versucht, ihnen zu vermitteln, dass wir das nicht organisiert oder dazu aufgerufen hatten. Für die Marke, The North Face, war es eine super Marketingaktion. Aber für mich persönlich, meine Leistung, war es das nicht. Aber ich wusste im Vorfeld schon, dass es schwierig werden wird. Das ist es nach wie vor. 

Wie bist du mit der Enttäuschung umgegangen? 

Nach “Breaking 20” hatte ich im Monat darauf gleich ein neues Projekt, den Camí de Cavalls Trail auf Menorca, 185 Kilometer nonstop. Ich konnte den Rekord um drei Stunden unterbieten. Das hat geholfen. 

Was sind deine drei Ratschläge um Ultradistanzen zu laufen? 

Natürlich muss man mehr trainieren und die Umfänge steigern, das ist kein Geheimnis. Die Beine müssen einfach stärker werden. Wenn du am Samstag normalerweise zwei Stunden läufst, dann läufst du drei. Wenn du am Sonntag Rest-Day hast, gehst du raus und läufst. Auch die Ernährung muss abgestimmt werden, um genug Power zu haben und richtig zu regenerieren. Das wichtigste aber, um Langdistanzen zu laufen: Du musst es fühlen, du musst Spaß dabei haben. Wenn du das nicht hast, gibst du in schweren Momenten vielleicht auf. Wenn du es wirklich fühlst, dann kommst du da durch. Man muss sich immer fragen: Warum laufe ich eigentlich? 

Checkst du im Vorfeld deine Konkurrenz? 

Ja, ich gucke auch oft auf Social-Media, was die anderen Läufer so machen. Ich kontrolliere sie nicht, aber ich möchte wissen, wie die anderen trainieren. So kann ich herausfinden, wann ich im Rennen den richtigen Angriff starten kann. (lacht) 

Wie sieht der Rest deiner Saison aus? 

Ich laufe im Oktober und November noch den Shinshiro Trail in Japan sowie den Golden Gate Trail – beides Rennen der Spartan Trail World Championships. Und irgendwann würde ich gerne beim Hardrock100 starten. 

Pau, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen dir viel Erfolg beim UTMB!

Pau’s Lucky Number ist die Bib16 – Hier könnt ihr ihn beim UTMB verfolgen. 

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