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Der Lake Como Endurance Trail (UTLAC250) ist ein Non-Stop-Lauf um den kompletten Comer See, über die schönsten Bergpfade und Wanderwege, Täler und Pässe der Alta Via delle Gringe. Startort ist das Städtchen Lecco in der norditalienischen Region Lombardei.

Dieser herausfordernde Ultra-Traillauf geht über 260 Kilometer mit 14000 Höhenmetern in Selbst-Navigation, das bedeutet, dass der Weg nicht markiert ist. Die Strecke muss also über ein GPS-fähiges Gerät mit Karte geladen werden, maximal 90 Stunden haben die Läuferinnen und Läufer dafür Zeit. Auf dem Weg gibt es 20 Verpflegungspunkte und drei sogenannte “Lifebases”, in denen es warme Mahlzeiten, Duschen und Schlafmöglichkeiten gibt. Wichtig vor dem Start: Ohne ärztliches Attest gibt es keine Startnummer!

Voller Vorfreude ging es also am Dienstag, dem 09. Mai, mitten in der Nacht los in Richtung Comer See. Leider bereitete mir das Wetter im Vorfeld schon einiges an Kopfschmerzen, da die Prognosen der Wetter-Apps durchweg nur Regen und kalte Temperaturen im Angebot hatten, Sonne? Fehlanzeige. 

Am Morgen, oben am Splügenpass auf über 2000 Metern Höhe mit Schnee und -1 Grad wusste ich, dass es definitiv nicht mein Wetter war. Ergiebiger Dauerregen bei mageren 10 Grad gesellte sich dazu – auch nicht besser. 

 Nach der Ankunft in Lecco holte ich meine Startunterlagen und ließ meine Pflichtausrüstung checken. Hier traf ich dann auch auf den sympathischen Veranstalter Andrea, er beantwortete mir alle meine offenen Fragen. Noch fünf Stunden Zeit, um mich auszuruhen! 

Zum Glück ließ der Regen so langsam nach. Um 18 Uhr ging es bei gut laufbaren Temperaturen von 12 Grad los auf die lange Reise.

Die ersten 15 Kilometer  bis nach Lierna zur ersten Verpflegungsstation waren ideal zum Warmlaufen: Schöne Trails im stetigen leichten Auf und Ab.  Auf den nächsten 11Km nach Perledo zur 2VP gab es dann zwar die ersten Höhenmeter, doch auch die waren noch gemütlich zu laufen. So kam man dann auch mit dem ein oder anderen Mitläufer ins Gespräch. So lernte ich alsbald Florian kennen, ein 40- jähriger Südtiroler aus Eppan bei Bozen. Auf dem Weg zur 3VP in Dervio fing es das Dämmern an: Es war Zeit, die Stirnlampe aufzusetzen. Mittlerweile lief ich mit zwei anderen Läufern. 

Im Abstieg nach Colico lief ein weiterer Läufer zu unserer Gruppe auf. Es war Sabush, ein 45-jähriger Läufer aus Indien, der seit 8 Jahren mit seiner Familie im Oman lebt und dort arbeitet. Wir freundeten uns recht schnell an und somit war klar, dass wir zu viert auch nach der Pause weiter laufen wollten. Die erste längere Pause gab es in der ersten Lifebase in Colico, bei Kilometer 51, die wir nach ungefähr sieben Stunden erreichten. Es gab leckere Gemüsecremesuppe, Stirnlampe und Handy wurden aufgeladen und weiter ging es. 

In Sorico ging es dann in den ersten richtig langen Anstieg hoch zum Rifugio Dalco mit knapp 1000 Höhenmetern am Stück. Im Anstieg wurde es langsam hell und es war ein tolles Bild, der See im Nebel und den noch leicht angezuckerten Berggipfeln ringsherum. Bei Kilometer 72 gab es im Refugio Dalco ein Frühstück und die anwesenden Bergretter versicherten uns, dass es trocken bleiben sollte. Bei Kilometer 110 in Garzeno folgte das schwierigste Stück der Strecke, ein Anstieg über 1700 Höhenmeter hoch zum Monte Bregagno, mit 2107 Metern der höchste Punkt des Laufes. 

Dann meinte es das Wetter ernst. Es zogen Wolken auf, der Wind nahm zu und die ersten leichten Regentropfen kündigten sich an. Es wurde richtig ungemütlich, es kühlte ab auf fünf Grad. Wir waren mittlerweile bei Kilometer 122 angelangt. In der Verpflegungsstation wärmte ich mich mit Zitronentee auf, der etwas Wärme in den Körper und die kalten Finger brachte. Zur zweiten Lifebase in Plesio ging es in einem verblockten Trail durch die Dunkelheit 8 Kilometer und 1100 Höhenmeter im Downhill nach unten. 

Nach einer Dusche und einem Teller Pasta wollte ich mich eine halbe Stunde hinlegen – was zwei Schnarcher neben mir allerdings zu verhindern wussten. Beim Blick aus dem Fenster war meine Laune komplett im Keller: Es schüttete wie aus Eimern. Meine Mitläufer wollten weiter, ich hatte absolut keinen Drang, wieder zu starten. Wir diskutierten eine Zeit lang und er machte mir klar, dass wir das Ding zusammen durchziehen und er ohne mich auf keinen Fall weitergeht. Nicht gerade bei bester Laune, packte ich meine Sachen und machte mich startklar. Siehe da – der Wettergott hatte Einsicht und mein Flehen erhöhrt, es nieselte nur noch leicht. Ab da hatte ich wieder richtig Lust. 

Vom Bergdorf Plesio ging es auf Asphalt runter nach Menaggio, direkt an den See. Mittlerweile war es trocken und die Regenkleidung konnte wieder im Rucksack verstaut werden.Von Menaggio ging es jetzt 13 Kilometer und 1500 Höhenmeter hoch zum Rifugio Venini auf 1600 Metern. 

Im Rifugio wollten wir uns etwas zu essen kaufen. Die Verpflegung beim UTLAC250 war nicht schlecht, es gab hochwertige Produkte und auch eine große Auswahl, aber exakt an jeder Verpflegungsstation das Gleiche, leider absolut keine Abwechslung. Als wir gegen 11 Uhr eintrafen, meldete sich der Regen auch wieder zurück. Dort hatte der Hüttenwirt schlechte Nachrichten: Er wollte die Hütte zusperren, weil wegen des schlechten Wetters keine Besucher mehr zu erwarten waren. Also gab es das, was es immer gab. Etwas Brot und Käse, ein Becher Cola und noch etwas Wärme aus dem Kaminofen. 

Die nächsten Kilometer ging es im leichten Auf und Ab über den Monte di Lenno auf 1588 Metern. Auf dem Weg zum nächsten Ziel, dem Rifugio Prabello, auf 1200 Metern kam es zu einem Wolkenbruch mit heftigem Starkregen. Was jetzt vom Himmel kam, war nicht mehr lustig.  In wenigen Minuten wurden aus Trails kleine Bäche und Waldwege zu kleinen Seen. Beim Abstieg zum Rifugio legte es mich so richtig auf die Nase. 

Bei Kilometer 191 wartete die dritte Lifebase in Cernobbio auf uns. In der örtlichen Sporthalle erwartete uns ein sehr herzlicher Empfang von freundlichen Helfern. Raus aus den nassen Klamotten, rein in die Dusche. Danach wartete eine Portion Pasta auf mich, dazu eine Fanta, was für ein Menü! Jetzt war wieder Energie im Tank.

Eigentlich wollten wir gegen 23 Uhr wieder starten, draußen aber wütete ein Gewitter mit heftigem Starkregen, der nur so auf das Hallendach trommelte. Ein freundlicher Helfer bot uns an, uns zu wecken, sobald das Wetter besser ist. So war es auch. Nach einer Stunde ging es im Trockenen wieder weiter durch die Nacht. Erst mal wieder einige Kilometer flach am Seeufer entlang in Richtung Como, und dann 500 Höhenmeter in das Bergdorf Brunate mit einer weiteren VP .Den Aufenthalt hier nutzte ich für ein kurzes Power Nap.

Denn von Brunate aus wartete eine ordentliche Etappe mit 17 Kilometern und knapp 1500 Höhenmetern im Anstieg auf uns. Über den Monte Cippei (1230 Meter) und Monte Astele (1183 Meter) ging es über tolle Trails im Stirnlampenlicht nach Colma di Sormano auf 1200 Metern. Mittlerweile war ich über 213 Kilometer unterwegs. 

Meine Laufgruppe trennte sich, mein Handy-Akku war leer und so lief ich direkt nach Bellagio, statt vorher abzubiegen. Hier war es eine andere Welt – von kühlen 10 Grad in den Bergen zu schwülwarmen 22 Grad am Seeufer. In einem Kleidergeschäft einer älteren Dame konnte ich mein Handy aufladen und unterhielt mich während der Wartezeit mit der netten italienischen Besitzerin. Zum Abschied schenkte sie mir noch ein Halstuch aus ihrer Kollektion, das mir Glück bringen sollte. Von Bellagio waren es jetzt noch mal 16 Kilometer und knapp 1000 Höhenmeter zur letzten Verpflegungsstation nach Maisano.

Das Wetter spielte endlich mit und so machten wir uns gemütlich auf die Reise. Unterwegs trafen wir Marco, einen 62-jährigen Läufer aus dem Aostatal. Was für eine Legende dieser Mann war! Über 120 absolvierte Ultras stehen in seiner Vita. Er finishte mehrmals den Tor und UTMB. Einfach toll, mit solchen Läufern unterwegs zu sein! Wenn ich mit 62 Jahren noch so fit bin, dann habe ich alles richtig gemacht. 

Auf der Hälfte der Strecke sah man schon vom Norden her eine schwarze Wand auf uns zukommen. In einem alten zerfallenen Weiler konnte ich mich noch unterstellen, bevor ein heftiges Gewitter über mir hereinbrach. Doch so schnell es aufzog, war es auch wieder vorbei. Die angenehmen Temperaturen verzogen sich leider auch, es kühlte richtig ab. Im matschigen Downhill ging es runter in das Bergdorf Maisano mit der letzten VP bei Kilomter 247. 

Mein Begleiter Sabush konnte nur noch langsam wandern, da er Probleme mit seinen Blasen an den Füßen hatte. Schweren Herzens trennten sich auf den finalen 13 Kilometern unsere Wege. Ich zog das Tempo an, denn ich wollte gegen 21 Uhr im Ziel ankommen. Andrea, der Organisator, hatte in einem Hotel mehrere Zimmer angemietet für Läufer, die schlafen wollten. Das Angebot wollte ich unbedingt annehmen, da ich vor der Heimfahrt dringend Schlaf benötigte. So pushte ich mich im Dauerregen den letzten langen Anstieg von knapp 800 Höhenmetern hoch zum Corno Orientale (1239m), um dann einen meiner schlimmsten Downhills zu laufen. Diese über 1000 Höhenmeter hatten es in sich. Es war komplett verblockt mit vielen glatten Steinen und tiefer Matsch verhinderte ein halbwegs schnelles Laufen. 

Irgendwann kam Marco von hinten an und fuhr den Trail in Skifahrer-Manier in der Hocke mit seinen Stöcken abstoßend an mir im Matsch vorbei. Da gab es noch mal etwas zum Schmunzeln. Auch mich katapultierte es noch zwei Mal ordentlich auf den Hosenboden, so rutschig war es. Heilfroh war ich, als mich der Trail endlich wieder in der Zivilisation oberhalb von Lecco ausspuckte. Jetzt ging es nur noch an der Promenade und am See entlang in Richtung Ziel. Auf dem Weg nach unten durch die Wohnsiedlung gab es dann den für mich emotionalsten  Moment des Rennens. Eine Familie feuerte mich im Regen von ihrem Balkon aus an, als würde gerade der Sieger einlaufen.

Nach 75 Stunden lief ich durch den Zielbogen direkt am See in Lecco ein und wurde mit einer wunderschönen Finisher-Medaille aus Holz und einer schönen Windjacke als Finisher-Geschenk belohnt. Im Hotel gab es eine schnelle Dusche, etwas zu Essen und um kurz nach 22 Uhr war ich im Land der Träume. 

Für mich persönlich war es eine super sympathische, familiäre Veranstaltung. Die Organisation war perfekt, die Strecke abwechslungsreich, die einem aber auch alles abverlangte – gerade bei diesem Wetter. Was mir aber am meisten imponiert hat, war die Kameradschaft unter allen Läufern, es war ein super freundliches Miteinander. Der einzige Kritikpunkt meinerseits ist die Verpflegung. Die war zwar gut und qualitativ hochwertig (Es gab Äpfel, Orangen, Bananen, Gurken, Nüsse, Schokolade, Studentenfutter, Schokokuchen,  Aprikosentarte, Weißbrot, Käse, Wurst, an Getränken Cola, Wasser, Sirup, Multivitaminsaft, warmer Zitronentee), aber an allen 20 Verpflegungsstationen dasselbe. Etwas mehr Abwechslung wäre wünschenswert gewesen.

Der UTLAC250 ist eine klare Laufempfehlung für alle, die sich mal auf einer langen Ultratrail-Distanz ausprobieren möchten, aber auch für erfahrene Trailrunner eine schöne Herausforderung.

Quellenangaben und Querverweise:
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