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Ich laufe einsam durch ein dunkles Zürich und genieße die Ruhe einer noch schlafenden Stadt. Kein Auto fährt, kein Mensch auf der Straße und auch keine kläffenden Hunde zu dieser sehr frühen Stunde. Doch so langsam nähere ich mich dem Startbereich und ein paar ebenso müde Läufer und deren Begleiter kommen langsam zum Vorschein. Ich bin angekommen am Start des Lake Zuri 100 Endurance Run.

Dieser Lauf, der dieses Jahr zum zweiten Mal stattfindet und wie kaum ein Anderer das Label „von Läufern für Läufer“ trägt. Man merkt es an allen Ecken und Enden. Beginnend bei dem sympathisch und unaufdringlichen Online-Auftritt, bei Unterhaltungen mit Gleichgesinnten und ebenso hier am Start. So hole ich also meine Startnummer ab und gönne mir noch neben einem Kaffee ein Stück frisches Brot vom lokalen Bäcker. Nebenher begrüße ich ein paar bekannte Gesichter und plausche ein wenig über die 106 km mit 3200 hm rund um den Zürichsee, die uns alle erwarten.

Um 6:15 Uhr mit den ersten zarten Tagesleuchten werden wir dann mit ein paar letzten Worten der Veranstalter auf die Strecke geschickt. Am Anfang gilt es den Uetliberg zu erklimmen. Jener Hausberg, welcher für einen Stadtberg typisch nur so von Trails durchzogen ist. Unser Weg führt uns allerdings eher auf breiten und gut befestigten Wegen hinauf, da im März viele Trails schlicht unlaufbar sind. Langweilig wird es dennoch nicht, zumal wir einen Sonnenaufgang der Superlative geboten bekommen. Morgenrot, schlecht Wetter droht, könnte man retrospektiv meinen, denn während wir noch die durchdringenden Strahlen genießen, kommen auch schon die ersten Tropfen vom Himmel. Je höher wir kommen, desto mehr plätschert es auf uns hinab. Der dazu einsetzende Wind verweht kurz darauf auch den letzten Schimmer der Morgenstimmung und schon bald finden wir uns in einem ziemlichen schaurigen Mix aus Wind und Regen wieder.

Mit diesem Wetter geht es immer auf der Höhe bleibend Richtung ersten Verpflegungspunkt. Da es keine verpflichtende Ausrüstung gab, war jeder selbst gut beraten sich auf die Unwägbarkeiten des Laufes einzustellen und so war ich in dieser Situation dankbar meine treue Regenjacke in der Weste zu haben. Ein erster kleiner Trail-Downhill zeigt zusätzlich, dass auch der Untergrund heute herausfordernd sein würde. Der Schlamm war tief, klitschig und lud durchaus zum Skifahren ein. Nach dem ersten von 5 Verpflegungspunkten ging es erstmals länger hinab. Erst sanft und dann etwas steiler, aber immer in einem angenehmen Flow. Im Tal angekommen, erwarteten uns ein paar Begleiter die alle Athleten anfeuerten und so zur gelungen Stimmung beitrugen.

Start

Das kommende Stück schlängelte sich nun in einem eher sanften Auf und Ab an einem malerischen Fluss entlang. Nur das Wetter malte sich immer neue Herausforderungen aus. So kam es das wir die 2. Aid-Station schnell passierten und aus Regentropfen plötzlich Hagelkörner wurden. Peeling inklusive sozusagen. Zudem zog sich der Himmel immer weiter zu und aufkommender Nebel umhüllte den längsten Anstieg des Rennes zum Wildspitz. Als wäre der Anstieg nicht schon lang und steil genug, begannen die Temperaturen bedenklich zu fallen, sodass mit zunehmender Höhe aus Regen allmählich Schnee wurde. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt legte sich auf den tiefen Schlamm nun noch eine seichtes Tuch aus frischem Schnee, was dem wahrscheinlich technischsten Downhill zusätzlich Würze verlieh. Die Frage war eigentlich nicht ob man fällt, sondern nur noch wann. Und tatsächlich erwischte es mich erst sehr weit unten auf einer Wiese, nachdem ich den schwierigsten Teil noch unfallfrei überwunden hatte.


Auf dem nun flachen Anlauf Richtung Etzel, dem zweiten der „Twin peaks“, zog mich mein zwischenzeitlicher Begleiter gut durch. Wir machten einige Plätze gut und fanden in einen angenehmen Rhythmus. Auf dem Etzel angekommen, waren wir dennoch gut durchgefroren und freuten uns folglich über eine heiße Bouillon. Es gibt wohl kaum etwas schöneres in so einem Moment. Den Großteil der Höhenmeter im Rücken, machten wir uns auf zum Seeufer hinunter. Auch hier galt es erneut aufzupassen, dass einen die Schwerkraft nicht ungewollt beschleunigte. Besonders die runden hölzernen und mit Schlamm überzogenen Treppenstufen sorgten für einige schlammige Hintern.


Unten angelangt, lag das wohl schwierigste Stück vor uns. Wir mussten flach am Ufer entlang etwa 10 Kilometer bis zur Life-Base Boulder. Was einfach klingt, wurde für einige Läufer dann doch recht zäh. Wäre ich nicht in Begleitung gewesen, es hätte mir auch leicht so ergehen können. Aber zu zweit war man hier deutlich im Vorteil. Anstatt in einen stumpfen Trab zu fallen, konnten wir das Tempo gut halten und kamen ordentlich an der Life-Base an, wo wieder eine wunderbare Verpflegung zu finden war. Gekochte Kartoffeln und weitere Lauf-kulinarische Highlights zeigten wiederum, dass hier Läufer am organisieren waren. Zudem hatte man hier Zugriff auf sein Dropbag und so füllte ich meine Weste wieder mit allem Notwendigen auf.

Ab hier galt es noch einen guten Marathon bis ins Ziel zu bewältigen, wobei die erste Hälfte weitgehend ansteigend war. Anfangs konnte ich, nun allein im einsetzenden Sonnenschein, noch gut voran kommen. Aber umso näher der Verpflegungspunkt Pfannenstiel kam, desto schlechter kam ich voran. Die Uphills waren überwiegend sanft, aber mir fehlte zunehmend die Energie um diese durchzulaufen. In der Folge machte ich wieder flüchtige Bekanntschaften mit ein paar vorbeiziehenden Läufern. An der Verpflegung selbst versuchte ich mich ein wenig aufzupäppeln. Hier wurden vom Veranstalter Espresso Gels von Hammer angeboten, welche mich früher schon häufiger aus dem Reich der Toten zurück geholt hatten und so griff ich beherzt zu.


Da es nun tendenziell bergab zurück in die Stadt ging und damit die verbleibende Renndauer überschaubar war, versuchte ich die Koffeinrakete zu zünden. Wichtig dabei ist, dass man etwas Geduld haben muss, bis die Wirkung einsetzt und dann das Ganze ordentlich mit Kohlenhydraten unterfüttert, um die Wirkung lange genug aufrecht erhalten zu können. Zündet man die Rakete allerdings zu früh, kann es passieren, dass man anschließend schnell in einem Abgrund versinkt. Es ist also immer eine gewisse Gratwanderung. Auch diesmal dauerte es etwas bis die Wirkung zu Entfaltung kam und so verlor ich auf an sich gut laufbaren und abfallenden Stück weiter an Boden.

Nach und nach kam die Kraft aber zurück und umso näher ich der wuseligen Stadt kam, umso besser lief es. Anfangs konnte ich nun wieder das Tempo der Anderen halten, nur um kurz darauf wieder Boden gut machen zu können. Einzig die spätere Siegerin bei den Damen flog mit ihrem Pacer an mir vorbei, als stünde die Welt für mich still. Auch dies übrigens eine Besonderheit für europäische Rennen, denn ab der Life-Base durfte Jeder einen Pacer mitnehmen und sich zu Fuß begleiten lassen.
Am Seeufer galt es dann nochmals die Konzentration aufrecht zu halten, denn die belebte Abendstimmung locke unzählige Passanten auf die Promenade. Da sich hier keiner sonderlich für ein paar Verrückte interessierte, galt es geschickt um die beweglichen Hindernisse herum zu manövrieren, was dank Koffein und Zucker auch hervorragend gelang. Das Ziel vor Augen erklomm ich im ausgehenden Tageslicht den letzten Hügel zum Ziel und freute mich schließlich nach 12:25 h glücklich im Ziel anzukommen.

Bei guten Gesprächen im Kreise vieler Gleichgesinnter klang der Abend schließlich langsam aus. Lange noch saßen wir zusammen, plauderten über das Erlebte, genossen Freibier und Essen und feierten Jeden der nach dem Finish in das gemütliche Vereinsheim eintrat. Ein wirklich toller Lauf, dem man zu jeder Zeit anmerkt, dass hier eine ganz besondere Leidenschaft für den Sport zuhause ist.

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