Trailrunning in Andorra? Klingt spannend, dachte sich unsere Redakteurin Isa. Der erste Ultra? Könnte man auch mal angehen. Gemeinsam mit Michi ging sie an den Start.
“Du hast hart trainiert, in eisigen Morgenstunden, hast die Strecke Zentimeter für Zentimeter studiert und bist für die Strecke vorbereitet” – Als diese E-Mail vom Veranstalter des Andorra100 by UTMB in meinem Posteingang eintrudelte, musste ich unweigerlich lachen. Nein, ich hatte nicht hart trainiert, vor allem nicht in eisigen Morgenstunden, die Strecke kannte ich auch nicht und hatte auch sonst wenig Ahnung von dem, was mich bei meinem ersten Ultra über 50 Kilometer und 3600 Höhenmetern im kleinen Fürstentum in den Pyrenäen erwarten sollte. Die Idee, diese für mich magische Zahl der 50 Kilometer zu laufen, kam im Winter – da hat man bekanntlich die wildesten Ideen für die neue Saison.
Die Anreise nach Andorra ist nicht ganz so einfach: Mit dem Flieger ging es nach Barcelona, von dort in drei Stunden mit dem Bus bis nach Andorra La Vella, nach einer weiteren 15 minütigen Busfahrt war man auch schon in Ordino, dem kleinen und schönen Örtchen, der sich für ein Wochenende in die Trailrunning-Hochburg verwandelte. Der blaue Einlauf-Teppich schlängelte sich durch den Ort und ich konnte es kaum erwarten, am Samstag selbst dort einzulaufen. Aber bis dahin war noch einiges an Arbeit zu tun.
Die Abholung der Startunterlagen verlief professionell und problemlos, die Pflichtausrüstung wurde kontrolliert, man bekam ein T-Shirt und konnte noch ein Foto mit der Startnummer machen. Im Rucksack war außer der Drop-Bag und eines Trinkbechers nichts weiter enthalten.
Um 8 Uhr am Samstagmorgen versammelten sich die Läuferinnen und Läufer im Ortskern von Ordino. Dramatische Musik anstelle von Party- oder Aufwärmliedern verlieh dem Start seinen ganz eigenen Touch. Für mich persönlich war schon der Start sehr emotional. Vor zwei Jahren, Ende Juni, lief ich meinen ersten Trailrun, den Mountain Man in Reit im Winkl. Am Tag danach, am Frühstückstisch, lernte ich Michi kennen. Wir wurden gute (Lauf-)Freunde. Dass er mit mir meinen ersten Ultra laufen soll, war von Anfang an klar. Er sagte glücklicherweise „Ja!“ Und so trafen wir uns in Andorra. Ein schöner Kreis, der sich hier schloss. Das Streckenprofil sah in der Theorie drei lange Anstiege vor, in der Praxis wurde uns mit den Höhenmetern dann auch ordentlich eingeschenkt.
Zuerst ging es den Coll d‘Ordino hoch, die ersten 800 Höhenmeter auf sechs Kilometern. Nach Kilometer 6 gab es bereits die erste Verpflegungsstation. Wenige Meter davor machte tatsächlich mein Stock die Grätsche. Ungünstig, wenn noch 3200 Höhenmeter vor einem liegen. Davon ließen wir uns nicht beeinflussen, lachten und liefen weiter. “Wenn bei so einem Lauf alles geil wäre, wäre es am Ende nicht geil” – eine der vielen Weisheiten, die Michi an dem Tag mit mir teilte. Nach einem wunderschönen Uphill mit fantastischer Aussicht (diese Aussage lässt sich für die kompletten 50km wiederholen) ging es einen teils technischen aber gut laufbaren und flowigen Downhill zur zweiten VP bei Kilometer 16. Dort wurde mein Stock in der Mülltonne beerdigt, die Flasks aufgefüllt, Näak Power Riegel (gibt es bei allen Rennen der UTMB-Serie) eingepackt und weiter ging es in den zweiten knackigen Uphill.
Im Nationalpark Comapedrosa war das Laufen purer Genuss. Zum Glück hatten wir uns mit Andorra nicht schon eher beschäftigt und wurden von einer traumhaften Landschaft überrascht. “Wir können meinetwegen nochmal 50 Kilometer laufen”, sagte ich zu Michi. Er sah mich an und in seinen glänzenden Augen sah ich keinen Widerspruch. Es lag aber noch die Hälfte der Distanz vor uns, unterschreiben wollten wir beide den Vorschlag also noch nicht. Stück für Stück kamen wir voran, kühlten unsere Köpfe an jeder möglichen Stelle, sei es im Brunnen oder an einem der vielen kleinen Wasserfälle. Die Sonne knallte gnadenlos auf uns herab, der Wind und die Höhe (der höchste Punkt war der Pic del Port Vell mit 2652 Metern) machte es jedoch erträglich.
Nach der fünften und vorletzten Verpflegungsstation an der Skistation ging es quer durch den Bikepark Vallnord. Die Biker sahen uns verwundert an, eine Horde Trailrunner durchquert ihr Habitat wohl nicht alle Tage. Mittlerweile machten sich die Gelenke bemerkbar, die Laune war weiterhin super – dass ich so easy durch das Rennen durchkommen werde, habe ich im Vorfeld auch nicht gedacht. Im Downhill lieh mir Michi seine Stöcke, die mir mehr Stabilität brachten, meldete sich doch das linke Knie nach einem blöden Schritt. Nach der letzten VP in Sispony ging es die letzten sechs Kilometer flach und auf Asphalt am Fluss zurück nach Ordino. Wir waren bereits gute elf Stunden unterwegs, während die anderen Läufer gingen, aktivierten wir unsere letzten Körner und trabten mehr oder weniger, wir nannten es den “No Bock Jog”, nach Ordino – wir wollten schließlich auch irgendwann mal ankommen…
Der Zieleinlauf, der von den Organisatoren mitgefilmt wurde, war dann wirklich wie im Film. Wir waren da. Nach 50 Kilometern und 3600 Höhenmetern liefen wir nach elf Stunden endlich über den blauen Teppich von Ordino. “Isa, jetzt wäre eigentlich der Zeitpunkt zu sagen, dass sich das ganze Training ausgezahlt hat. Aber du hast ja nicht mal wirklich trainiert”, sagte Michi auf den letzten Metern und lachte. Es stimmt, ich hätte wirklich mehr trainieren können, dennoch haben wir gemeinsam diese Distanz geschafft. Mein erster Ultra war eingetütet – und mit Andorra habe ich mir das schönste Fleckchen Erde dafür ausgesucht.
Quellenangaben und Querverweise:
- Fotos: Isabella Fischer / Sportograf