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Wer mit Trailrunning anfängt, wird sehr schnell eine Bucket-List für sich zusammenstellen, welche sich kontinuierlich durch immer neue Inspirationen von ganz allein füllt. Ein Event folgt dem nächsten und ehe man sich versieht, rutscht so manches Event immer wieder nach hinten. So ging es mir seit Jahren mit dem Teneriffa Bluetrail.

Dabei scheint dieser in der Wahrnehmung, geografisch eingebettet zwischen dem Transvulcania auf La Palma und dem benachbarten Transgrancanaria, etwas zurückzustehen. Dabei bietet dieser Lauf über den höchsten Berg Spaniens, dem Teide ein einmaliges Profil bei dem es regulär 5400 hm auf 102 km zu überwinden gilt. Es geht einmal direkt von der Küste weg auf 3550 m hoch und anschließend mit einem nennenswerten Zwischenanstieg auf der anderen Seite der Insel zurück an den Atlantik. Auch wenn es sicher anspruchsvollere Läufe über diese Distanz gibt, so macht genau dieses Profil für mich den Reiz aus.

So ging es also ein paar Tage vor dem Start ab nach Teneriffa, um das Ganze noch mit einem aktiven Wander- und Laufurlaub zu verbinden. Das Wetter schien so weit perfekt, allerdings kündigte sich frühzeitig ein kleiner Sturm an, der jedoch zum Lauf hin bereits wieder durch sein sollte. Leider ließ uns „Oscar“ trotzdem noch ausreichend Wind zurück, was dazu führte, dass die Seilbahn auf den Teide am Renntag nicht in Betrieb gehen konnte. Da dies sowohl für die Logistik, als auch für die Sicherheit untragbar ist, musste der Part über den Vulkan gestrichen werden. Stattdessen wurde die Strecke in die tiefgelegene Hochebene verlegt, was etwa 800 hm weniger bedeutete. Sicherlich etwas schade, aber absolut nachvollziehbar.

Die Startnummernausgabe fand donnerstags in Santa Cruz im Rahmen einer kleinen Sportmesse statt und war erfreulich einfach gestaltet. Einmal Ausweis vorzeigen und schon hatte man alles, was man brauchte in der Hand. Auf eine aufwendige Kontrolle der übersichtlichen Pflichtausrüstung wurde zu Gunsten der Eigenverantwortung verzichtet. Dafür wurde beim Einlass in den Startbereich essentielle Dinge wie eine Rettungsdecke und Regenjacke kontrolliert. Ein Beispiel, dem andere Läufe aus meiner Sicht gern folgen dürfen.

Da es sich um eine Punkt zu Punkt-Strecke handelt, wurden vom Veranstalter ein Bus bereitgestellt, um zum Start zu gelangen. Diese fuhren an fünf verschiedenen Standorten auf der ganzen Insel ab und brachten die Läufer komfortabel zum Start.

Leider wurde aufgrund der Streckenänderung der Start um eine Stunde nach hinten verlegt, sodass es nach Ankunft im Startort El Medano im Süden der Insel noch gut 2 1/2 Stunden zu vertun gab. Ein bisschen lang, gerade wenn man erst nachts um 1 Uhr startet und im Grunde bereits den kompletten Tag wach ist. Nächtliche Startzeiten sind bei solchen Distanzen zwar durchaus üblich, aber so recht daran gewöhnen werde ich mich wohl nie.

Ein paar Minuten vor dem Start öffnete dann der unmittelbare Startbereich, sodass es nach kurzer Animation pünktlich in die Nacht hinaus ging. Dabei führten die ersten Kilometer im Ort an der Promenade entlang. Anschließend bogen wir in ein ziemliches Ödland ab, dass bei Tage sicher keine Augenweide gewesen wäre. So aber boten die welligen und staubigen Trails eine gute Möglichkeit, locker in den Lauf zu kommen. Wer sich nicht vom teils harten Tempo mitziehen lies, erreichte nach einer guten Stunde den ersten Verpflegungspunkt. Ich füllte schnell Wasser auf und rannte unter lauten Trommelklängen unmittelbar weiter.

Der folgende Abschnitt führte durch ein trockenes Flussbett. Stets tief ausgewaschen führte der teils feste, teils lose Untergrund langsam bergan. Ein bisschen klettern durfte man auch zwischendurch, sodass die Zeit wie im Flug verging und die zweite Verpflegung schnell erreicht war. Nun wurde es langsam ernst, denn auf dem nächsten Abschnitt folgten etwa 1400 Höhenmeter, welche lediglich durch marginale Downhills unterbrochen wurden. In diesem Teil konnte ich ein sehr gutes Tempo anschlagen, auch wenn ich auf Stöcke aufgrund des eher laufbaren Charakters verzichtet hatte. Die fallenden Temperaturen waren dabei sicher von Vorteil. Leider gesellte sich dazu ein leichter Windhauch, der im durchgeschwitzten Zustand sehr schnell unangenehm wurde, sodass ich mich dazu entschied mein langes Oberteil anzuziehen. Dieses gehörte übrigens nicht zur Pflichtausrüstung, Stichwort Eigenverantwortung.

Am nachfolgenden Zwischenstopp verpflegte ich mich zusätzlich mit heißer Brühe, was in den kältesten Nachtstunden ein wahrer Segen war. Auf den letzten 700  Höhenmetern bis zu den Canadas, der Hochebene der Insel rund um den Teide, ging langsam die Sonne auf. Das magische Rot wurde immer kräftiger und ließ die in Wolken gehüllte Nachbarinsel Gran Canaria in einem besonderen Charme erscheinen. Aber auch die vulkanisch geprägte Landschaft unmittelbar um mich herum wirkte wie verzaubert. Leider sprang der Funke nicht recht über. Die Beine wurden ein wenig schwerer und die Dynamik schwand etwas. Irgendwie kam ich trotzdem noch ganz gut bis Parador, wo bereits mein Dropbag auf mich wartete.

Also zog ich mich kurz sonnentauglich um, trug etwas Sonnenschutz auf und füllte meine Weste wieder mit Tailwind, Holyfat und GU auf. Bevor es weiterging noch schnell etwas Brühe und schon war ich in mitten eines gigantischen ehemaligen Vulkankraters, gegen den der Teide trotz seiner stattlichen Höhe wie ein überdimensionierter Pickel wirkt. Leider wollte es im nun rollenden Gelände nicht mehr recht voran gehen. Jede noch so kleine Steigung zwang mich zum Gehen. Die Sonnenstrahlung wurde zunehmend intensiver, auch wenn die Temperaturen objektiv noch völlig okay waren. So schleppte ich mich zunehmend durch diese Mondlandschaft, passierte dabei eine weitere Verpflegung und wurde stetig überholt. Ob es nun die Höhe auf über 2000 m, die intensive Einstrahlung oder schlicht die Brühe war, die mir nicht recht bekam und meinen Magen aufs äußerste strapaziert hatte, kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich trug auch der mangelnde Schlaf etwas dazu bei. Aber solange man beständig einen Fuß vor den anderen setzt, kommt man trotzdem fortwährend voran und so erreichte ich nach rund 60 km den anschließenden Downhill.

Meistens flowig, selten ruppig und steil verlor ich nun die einst erkämpfte Höhe und fand dabei immer mehr wohltutenden Schatten vor. Circa in der Mitte des Abstiegs erreichte ich eine weitere Verpflegung, an der gerade jemand abgeholt wurde, nachdem er ausgestiegen war. Der überaus flüchtige Gedanke mich einfach dazu zu setzen blitzte nur kurz auf und so setzte ich meinen Weg mit vollen Flaschen fort. Zu meinem Glück zog nun eine frische Wolke in den Hang hinein und sorgte so für zusätzliche Abkühlung. In gleichem Maße wandelte sich mein lahmer Trab immer mehr in ein dynamisches Tänzeln und so flog ich schließlich immer schneller den Berg hinab. Endlich war alles wieder da und es machte richtig Spaß. Anstiege ging ich zwar weiterhin, weil ich der Meinung bin, dass die Kunst in langen Ultras eben auch darin besteht Hochphasen zu moderieren, aber das Vorankommen war gesichert. Zur Bestätigung meines Aufschwungs wurde ich wieder vom Überholten zum Überholenden.

In La Caldera füllte ich in bewährter Weise schnell meine Flaschen auf und konnte so sicher wieder einiges gut machen. Es ging nun in besagten letzten Gegenanstieg, den mir meine Uhr mit 450 Höhenmeter bezifferte. Inzwischen war die Sonne wieder da und die Steigung geizte nicht mit Prozenten. Wäre es hier nicht stetig übel hoch gegangen, man hätte sich der Vegetation wegen auch in Brandenburg wähnen können. In diesem Höhenband besteht der Wald aus Nadelholz und ist verflucht trocken. Nachdem der Anstieg vermeintlich geschafft war, präsentierte mir meine Garmin gleich den nächsten. Dieses Spiel wiederholte sich noch zwei Mal. So nützlich diese Anzeige einzelner Anstiege auf der Uhr auch ist, in diesem Fall hat sie mich doch ein wenig in die Irre geführt. Aber da die Beine gut waren, konnte ich halbwegs entspannt damit umgehen.

Oben angekommen erreichte ich die vorletzte Verpflegung wo ich kurz von meiner bisherigen Essenstrategie abwich. Ein kleines Hungergefühl bewog mich etwas Banane zu probieren. Mein Magen dankte es mir, indem er die Banane direkt wieder zurückschickte. Nichts also mit fester Nahrung. Folglich blieb ich bei meiner flüssigen Versorgung und stürzte mich in den 1700 hm tiefen Schlussabstieg. Dieser führte weitgehend angenehm über staubige Wege und Mountainbike Trails. Gut 800 Höhenmeter vor dem Ende wurde ich staubgetränkt auf einer Straße ausgespuckt. Was jetzt folgte war wohl der übelste Downhill der vergangenen Jahre. Es ging sehr steil wechselnd auf Asphalt oder Beton dem Meer entgegen. Einige Läufer waren nurmehr im Zick-Zack in der Lage das Gefälle zu überwinden. Glücklicherweise konnte auch das meinen Beinen nichts mehr anhaben.

Nach einer kurzen Dusche bei begeisterten Zuschauern am Streckenrand flog ich voller Übermut an der letzten VP vorbei und durfte sogleich die letzten 200 hm zum Meer auf Treppen hinter mir lassen, die dem MIUT in nichts nachstehen. In dieser Steilküste mischten sich atemberaubendes Naturerlebnis, mit glutheißen Temperaturen. Fast bereute ich meinen vorherigen Übermut, aber schließlich war es nicht mehr weit bis ins Ziel. Über zwei kleinere Gegenanstiege kam ich diesem immer näher und schon bald hörte ich die tosenden Trommeln in Puerto de la Cruz. Die letzten zwei Kilometer waren der pure Genuss. Die Beine rollten und der Zielkorridor war schnell durchschritten. Am Ende blieb die Uhr bei 16:04 Stunden stehen.

Am Ende war es ein sehr gelungener Lauf, auch wenn ich auf das zwischenzeitliche Tief gern verzichtet hätte. Aber zumindest habe ich dabei ein weiteres Mal lernen dürfen, dass man immer wieder stark zurückkommen kann. Zudem war die Erfahrung ohne Stöcke über die Distanz gehen zu können ebenfalls wertvoll und wird mir in Zukunft sicher in mancher Situation hilfreich sein.

Zum Schluss bleibt mir nur nochmal festzuhalten mit welcher Begeisterung der Sport außerhalb Deutschlands und besonders in den südlichen Gefilden zelebriert wird. Sicher ein guter Grund wieder zu kommen und beim nächsten Mal den Vulkan zu erklimmen, der die Faszination für diesen Lauf ursprünglich mal ausgelöst hat.

Quellenangaben und Querverweise:
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