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Es gibt nur wenige Läufe, die selbst erfahrene Trailläufer mit ähnlicher Ehrfurcht erfüllen wie der Swisspeaks 360, bei dem man einmal das komplette Wallis durchquert. Dabei stellen sich mächtige Berge und Pässe in den Weg, so dass über 26000 Höhenmeter auf der Strecke zusammen kommen. Unser rasender Reporter Paul hat sich diesem Monster gestellt und einen packenden Bericht verfasst...

Für mich sollte es die Krönung eines bereits anspruchsvollen und durchwachsenen Laufjahres werden. Da mir der Startplatz von meinem Sponsor HOKA im März bereitgestellt wurde und ich zu diesem Zeitpunkt meine Saison schon grundsätzlich geplant hatte, blieben nach dem Jungfrau-Aletsch-Trail über 250 Kilometer nur sechs Wochen um sich zu regenerieren und den letzten Schliff zu holen. Sicherlich ein bisschen kurz, aber es schien sich doch ganz gut auszugehen, nachdem die ersten drei Wochen nach dem Eiger noch von recht schweren Beinen geprägt waren.

So stand ich also sonntags in Oberwald zusammen mit vielen Gleichgesinnten und schaute bei bestem Bergwetter einem unglaublichen Abenteuer entgegen. Zuvor hatte ich noch fix beim Lauf eingecheckt, was dem erfahrenen Starterfeld entsprechend erfreulich schnell und unaufgeregt von statten ging. Um 12 Uhr erfolgt pünktlich der Startschuss und gut 250 Läufer setzten sich in Bewegung. Anfangs war das Feld noch eng zusammen und die Wege zum Teil etwas breiter, sodass sich das Feld gut ordnen konnte. Nachdem bei Reckingen (27,7 km) der 2. Verpflegungsposten passiert wurde, folgte mit dem Aufstieg zur Chummefrugge die erste von vielen harten Prüfungen. Hier hatte sich das Feld bereits deutlich aufgelockert und die teils einsame Landschaft zeigte sich von ihrer ganzen Pracht. Auf dem langen und angefangen teils weglosen Downhill zur ersten Life-Base in Fiesch (50,7 km) passieren wir noch einen weiteren Verpflegungsposten, der mit echten Raclette aufwartete. Viel mehr Klischee geht eigentlich nicht.

In Fiesch kam ich bereits nach Einbruch der Nacht an und versuchte meinen Aufenthalt eher kurz zu halten. Anschließend sollte es für uns über den Furggerchäller zum Saflischpass gehen. Dabei ging es landestypisch immer wieder verdammt steil und direkt den Berg hinauf. In der Ferne zeichnete sich dabei immer wieder ein beeindruckendes Wetterleuchten ab, was ein bisschen Stimmung ala Mordor aufkommen lies. Auf diesem mit gut 20 km längsten Einzelabschnitt merkte ich, wie es zunehmend zäher wurde und besonders die Müdigkeit zur VP hin deutlich zunahm. Viel zu früh für meine Verhältnisse und ein erstes Zeichen, das es diesmal besonders hart werden könnte. Folglich entschloss ich mich an der VP zu einem ersten kurzen Nickerchen, um frisch in den nächsten harten Abschnitt zu gehen.

Auf den ersten Metern schien das Kalkül aufzugehen und ich kam wieder flüssiger den Berg hinab, aber umso mehr der Tag Einzug hielt, desto schwerer wurde mein Schritt. Am tiefsten Punkt in Grund (76 km) angekommen, wartet direkt der nächste Anstieg zur Nanzlicke im anbrechenden Tage. Dieser sollte mit seinen 1600 hm alles von mir abverlangen. Von Schritt zu Schritt wurde ich langsamer und die Müdigkeit nahm im gleichen Maße zu. Auf einer Alm angekommen, machte ich erneut kurz die Augen zu, was mir für etwa 20 Minuten ein besseres vorankommen ermöglichte. Das Ganze wiederholte ich bis oben noch zwei mal. Darüberhinaus musste ich immer wieder innehalten und verlor so Platz um Platz, was zusätzlich an der Moral knabberte. Nach einer Ewigkeit erreichte ich den Pass, um sogleich in einen verhältnismäßig einfachen Downhill zu gehen. Meine Verfassung wurde allerdings immer schwieriger und die Gedanken kreisten bereits um ein DNF, obwohl der Lauf noch gar nicht recht angefangen hatte. Am Tiefpunkt im Nanztal angekommen, entschloss ich mich für eine kurzes Bad in einem eiskalten Gebirgsbach, in der Hoffnung die Beine auf diese Weise wieder etwas fitter zu bekommen. Tatsächlich lief das nächste Teilstück über den Gibidumpass nach Giw (93 km) wieder etwas besser, sodass ich zumindest noch zur nächsten Life-Base in Eisten (104,4 km) aufbrechen konnte. Bis dahin ging es erst wellig und anschließend sehr steil ins Saastal hinab. Hier schien bereits das Ende auf mich zu warten, aber mit einer längeren Pause, etwas Ruhe, einer Massage und vor allem der Aussicht erstmal mit Georg zusammen zu laufen, entschloss ich mich schließlich zum weiter beißen.

Der nächste Anstieg sollte uns zur Hannigalp führen. Sicher einer der am meisten unterschätzten Anstiege im ganzen Rennen. Und weil der Weg noch nicht ausgesetzt und steil genug war, hatte man uns noch ein paar beeindruckende Baumstämme in den Weg gelegt. Zur VP nach Grächen (113,7 km) hinab ging es dann erfreulich einfach über einen breiten und staubtrockenen Weg. Hier gab es ein typisch schweizerisches mächtiges Gericht aus Zwiebel, Kartoffel und besonders Käse, um gestärkt durch die Nacht zu kommen. Mit leichter Schwere im Magen rollten wir gemütlich nach St. Niklaus runter, um von hieraus den Anstieg zum Augstbordpass in Angriff zu nehmen. Allein dieser Anstieg ist vergleichbar mit dem Anstieg vom Eibsee zur Zugspitze, um das Ganze einmal in Relation zu setzen. Auf halben Weg konnten wir uns nochmals bestens in Jungen versorgen, bevor es wieder hochalpin wurde. Steile Passagen wechselten dabei immer wieder mit sehr verblockten Stellen. Jedes Mal wenn man sich fast oben wähnte, baute sich eine neue Mauer vor einem auf, welche lediglich durch die reflektierenden Markierungen in der Nacht zu erahnen war. Dabei verschwommen Sternenhimmel und Streckenmarkierung zusehends. Der Weg hinab zur nächsten Verpflegung war glücklicherweise deutlich einfacher, auch wenn im anbrechenden Tag meine Halluzinationen immer mehr zunahmen. Dabei säumte sich der Weg mit künstlerischen Mosaiken von Tieren und die Felsen mit gleichartigen Bildern. So schön das ganze auch war, so war es doch ein weiteres Zeichen, dass die Erschöpfung bereits im roten Bereich war.

Nach einer kurzen Stärkung im kühlen Bluömatt (138 km) mit frisch zubereiteten Omelett, machten wir uns auf zur Forclettaz. Auf dem Weg machte ich Häuser und Bänke aus, an denen wir kurz ruhen wollten, die sich aber immer wieder als Trugbilder erwiesen. So legten wir uns etwas weiter oben einfach ins Grüne und entspannten kurz die Augen. So ging es halbwegs ordentlich zum Pass hinauf und schließlich zur nächsten Verpflegung, die mit einer sehr schmackhaften Suppe aufwartete. Da Georgs Appetit weniger ausgeprägt war, machte er sich etwas eher auf nach Grimentz (156,2 km) hinab. Nach längerer Zeit war ich also wieder allein unterwegs, schaffte es aber mit nur einem kurzen Nap ebenfalls gut zur Life-Base, wo uns Verena in Empfang nahm. Hier gab es erneut eine kurze Dusche, etwas Ruhe und ein bisschen zu Essen. Leider fanden wir beide keinen rechten Schlaf und das Essen war auch nicht sonderlich gut, sodass wir alsbald wieder aufbrachen.

Auf dem nun folgenden Weg zur Cabane de Bec des Bosons machten wir solide Meter um Meter wett, bis uns erstmals schlechtes Wetter einholte. Regen und Wind werden auf dieser Höhe und nach über zwei Tagen schnell äußerst ungemütlich. Entsprechend zogen wir zügig die nötigen Klamotten an und versuchten die letzten Meter in der einbrechenden Nacht zur VP schnell hinter uns zu bringen. Hier oben auf nicht ganz 3000 Meter wurde tatsächlich gegrillt. Eine sehr willkommene Abwechslung zur überwiegend süßen Eigenverpflegung.

Anschließend ging es in den nächsten schier unendlichen Abstieg. Anfangs war es dabei noch technisch, um im weiteren Verlauf immer flowiger zu werden. An flüssiges laufen war dennoch nicht mehr zu denken, denn die Müdigkeit wurde immer einnehmender und der erneut einsetzende Regen wurden langsam zermürbend. Kälte kroch in den Körper und die Feuchtigkeit tat ihr Übriges. Zusätzlich wichen im Talort Evolène (178 km) Track und Beschilderung von einander ab, was die letzten Meter zum VP noch ein wenig erschwerte. Dort angekommen legte ich mich sofort ins Lager und ruhte ein wenig, bis mich ein unnachgiebiges Sägen um jeglichen weiteren Schlaf brachte. So stärkte ich mich noch etwas und machte mich auf in den nächsten Uphill.

In diesem sollte sich alles kumulieren, was bis dato von mir abverlangt wurde. Zu Beginn kam ich gefühlt noch ganz ordentlich voran, aber Kälte und Müdigkeit krochen immer tiefer in die Knochen und so musste ich alles anziehen, um halbwegs beisammen zu bleiben. Insbesondere in den immer häufiger werdenden kleinen Pausen inklusive notwendiger Nickerchen wurde der Wärmeerhalt immer problematischer. Pro Kilometer brauchte ich so in etwa 40 Minuten. Die Zeit glitt nur so durch die Hände und mein Ziel geriet immer mehr ins Wanken. Und plötzlich aus dem nichts stand ich vor dem nächsten VP, den ich erst nach dem kommenden Pass erwartet hatte. Dankend trat ich ein und legte mich erneut ins frische Lager.

Hier in Chemeuille musste ich länger verweilen. Ich versuchte nach kurzem Schlaf die Körpertemperatur mit Essen und Wärmen wieder etwas herauf zu bringen. Die Gedanken ans weiter machen schienen währenddessen immer mehr ins Schwanken zu geraten, denn selbst wenn ich es bis zur nächsten Life-Base schaffen würde, so schienen mir die letzten 100 Meilen doch zu anspruchsvoll. Diese hatte ich vor 2 Jahren bereits bewältigt und wusste welche anspruchsvollen Abschnitte noch vor mir lagen. Es wäre in diesem Moment sicher einfacher gewesen, keine genaue Vorstellung des Kommenden zu haben. Als ich dann noch Schwellungen im Bereich der Hüfte bemerkte und in diesem Moment ernsthafte Folgen befürchtete, reifte der Entschluss auszusteigen zusehends. Als mir dann auch noch eine Möglichkeit aufgezeigt wurde, wie ich von hier wieder wegkommen würde, ging ich nochmals für ein paar Minuten in mich und fand letztlich nicht die notwendige Kraft und Überzeugung um weiter zu machen. Folglich stieg ich nach 66 Stunden mit 185 km und gut 14000 hm aus. Eine Entscheidung die ich mir nicht einfach gemacht habe, aber in Anbetracht des Rennverlaufes auch deutlich eher hätte kommen können.

Im Nachgang bleibt natürlich immer die Frage wie es dazu kommen konnte und die Antwort ist selten simpel, sondern wie so oft sehr vielschichtig. Kurz gesagt, war das Training über den Sommer in Folge einer Verletzung sicher nicht ausreichend, ich war nicht richtig ausgeruht im Vorfeld, der Eiger E250 steckte womöglich noch in den Knochen und vor allem im Kopf, die Müdigkeit hat mich diesmal schwer getroffen und ich war mental nicht ausreichend auf diese Mammutdistanz eingestellt. Es wollte einfach nie ein Gefühl von Zuversicht und Machbarkeit aufkommen. Insofern bleiben zumindest genug Ansatzpunkte um mich in Zukunft deutlich besser vorzubereiten und erfolgreich zurück zu kommen.

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Zum Schluss bleibt mir nur noch HOKA für den Startplatz und die Top-Ausrüstung zu danken. Gelaufen bin ich übrigens Mafate Speed 4 und Speedgoat 5, die beide hervorragend funktioniert haben. Genauso muss ich festhalten, dass die Organisation des Laufes vorbildlich war. Besonders das Engagement der vielen Freiwilligen ist immer wieder bewundernswert. 

Und ganz zum Ende bleibt noch zu sagen, dass ich ohne die Unterstützung von Verena und Georg kaum soweit gekommen wäre. Vielen Dank.

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