25. November 2023

Lavaredo Ultratrail-Teamwork makes the dream work – Support beim ersten 120km Ultratrail

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Trailrunning24-Läufer Chris Krügel hatte in diesem Sommer sein Trail-Highlight. Beim Lavaredo Ultra-Trail in den Dolomiten standen zum ersten Mal 120 Kilometer auf dem Menü-Plan. Wie bereitet man sich neben Arbeits- und Privatleben auf seinen ersten 100er vor? Wie wichtig sind Motivation und Support von Freunden und Familie? Das erzählen er, seine Freundin und sein bester Freund, die ihn begleitet haben, hier:

Chris, wie hast du dich mental auf das Rennen vorbereitet?

Chris: Mental musste ich mich eigentlich nicht sonderlich vorbereiten, da ich eine riesige Vorfreude hatte. Ich habe schon seit einigen Jahren den Lavaredo verfolgt und das war definitiv der Lauf auf meiner Bucket List. Klar, die Distanz mit 120km war neu für mich und ein richtiges Brett. Aber ich wusste, dass mir der Start um 23:00 Uhr und das Laufen durch die Nacht sehr liegen. Dass Probleme während den, am Ende, 17 Stunden, auftreten, ist von vornherein klar. Diese gilt es zu akzeptieren und darauf einzugehen. Daher galt es für mich, relativ entspannt in den Lauf zu finden und jederzeit fokussiert und ruhig zu bleiben.

 

Wie war die Vorbereitung?

Chris: Die Vorbereitung bezüglich des Supports startete bereits ca. zwei Wochen vor dem Lauf. Angefangen von einem Streckenstudium, Auschecken der Verpflegungspunkte und das Laden der GPS-Tracks bis hin zum Beschaffen der Verpflegung. Wichtig für mich war, eine Checkliste zu schreiben und diese sukzessive abzuarbeiten, damit nichts vergessen wird. In den Tagen vor dem Lauf besprachen wir die Strecke, das Profil und die dazugehörigen VP’s mit ungefähren Durchgangszeiten. Hier haben wir dann auch genau festgelegt, wann und wo wir uns sehen. Unmittelbar vor dem Start gingen wir nochmals alles Gepackte durch und haben geklärt, wo was an Ausrüstung und Verpflegung zu finden ist. Es kann ja doch schonmal gut stressig an und zwischen den VP’s werden, wie sich auch wieder beim Lavaredo herausgestellt hat (Lacht).

 

Habt ihr eine Supporter-Strategie gehabt?

Johannes: Für mich gab es keine direkte Strategie, für mich gab es nur ein Ziel! Das lautete: „Sei ein Teil von Chris seinem großen Traum“ Schon im Vorfeld war mir bewusst, dass die Strategie nur dann aufgeht, wenn wir alle, und da bin ich wahnsinnig froh, dass Natalie mit dabei war, gemeinsam an einem Strang ziehen. Vorab war mir durchaus bewusst, dass der „Druck“ der Supporters fast genauso hoch ist wie Chris sein „Druck“ vor dem Startschuss. Betonen möchte ich, dass ich keinen akribischeren Sportkameraden aus meinem näheren Umfeld kenne als Chris, der sich das Ganze immer wieder mit einer Prise Lockerheit versüßt. Meiner Meinung nach ist das das Geheimrezept von Chris. Dies galt es, 120 Kilometer lang aufrechtzuerhalten.

 

Natalie: Johannes und ich haben beim Lavaredo zum ersten Mal gemeinsam supportet. Daher mussten auch wir uns erst an die Aufgabenteilung gewöhnen. Das hat sich aber ziemlich schnell eingependelt und nach kurzer Zeit waren wir ein gutes Team. So haben wir vor jeder Verpflegungsstation alles vorbereitet:  Trinkflaschen wurden aufgefüllt, eine Auswahl an Gels und weitere Nahrung bereitgelegt, damit Chris sich so schnell wie möglich alles notwendige greifen kann.

Wie haben sich die Supporter während des Laufes gefühlt?

Johannes: Grundsätzlich habe ich mich gefühlt wie ein Formel 1 Fahrer mitten in den Dolomiten (lacht). Klar, wir mussten zum Teil einige Kilometer mit dem Auto auf uns nehmen, um pünktlich an der nächsten VP bereit zu stehen. Beziehe ich mich aber auf mein eigenes Gefühl, muss ich ganz ehrlich sagen, bei jeder VP, als ich auf Chris traf, wurde mein Gefühl Stück für Stück besser. Ist doch klar, ich kenne den „Kameraden“ jetzt schon einige Zeit und durfte mit ihm unzählige Trainingskilometer bewältigen. Man weiß den Gegenüber richtig einzuschätzen. Zurück zum Gefühl. Ich muss sagen, ich hatte noch nie so ein gutes Gefühl wie beim LUT. Als ich Chris zum ersten Mal gesehen habe, war mir klar, das ist sein Rennen, das ist sein Tag. Und ja, das ganze bestätigte sich von VP zu VP. Lange Rede kurzer Sinn, ich hatte ein „mega“ Gefühl!

Natalie: Man ist etwas angespannt, da man nie weiß, wie es ihm zwischen den Etappen geht, ob er gestürzt ist, ob der Puls und der Magen soweit mitmachen. Zusätzlich ist man auch immer etwas nervös, ob man auch alle wichtigen Sachen aus dem Auto mitgenommen und nichts vergessen hat, was für den Sportler in der Situation fatal wäre. Nach jeder Verpflegungsstation wurde die Aufregung aber etwas weniger, da wir gemerkt haben, dass es für ihn gut lief.

Chris, wusstest du, wann du die Beiden wiedersehen wirst? Hat dir das Energie gegeben?

Chris: Wir haben vorab schon genau besprochen, an welchen Punkten entlang der Strecke wir uns sehen. Dass es für die gesamte Ernährungsstrategie wichtig ist, muss man glaube ich nicht extra erwähnen. Umso mehr muss man aber den psychologischen Vorteil hervorheben. So konnte ich mir die mit 120 Kilometern doch schon lange Strecke in realistische Teilstücke einteilen, die maximal 30 Kilometer lang waren. Es pusht einen schon sehr, alle paar Stunden die vertrauten Gesichter zu sehen und sich kurz auszutauschen. Daher kann ich nur jedem ans Herz legen, wirklich vorab feste Punkte mit den Begleitern zu vereinbaren.

Beim Lavaredo hatte ich dann noch den Vorteil, neben Natalie und Johannes noch Natalies Schwester Yvonne und Johannes‘ Freundin Rebecca beim Support zu haben. Das ist schon ein wahrer Luxus, wofür ich den Vieren echt mehr als dankbar bin.

 

Was war für die Supporter am emotionalsten?

Johannes: Emotional? Ist das nicht so ein Frauen-Dings? Spaß… Schwierige Frage, welche ich tatsächlich nur bedingt beantworten kann. Ein emotionaler Moment für mich war (Ich glaube, er hat das gar nicht mitbekommen), als er gefühlt mit 5000 weiteren Startern auf der Piazza mitten in Cortina um kurz vor 23 Uhr stand. Er war anders, ganz anders als sonst. Ruhig, fokussiert, angespannt. Das war für mich ein emotionaler Moment, weil ich gemerkt habe – das wird sein Rennen!!! Dieser Trainingsfleiß wird heute belohnt, dachte ich mir. Natürlich waren auch emotionale Momente während des Laufes dabei… Emotional eskaliert sind wir beide, als wir mit einem „piccolino“ Zielbier miteinander angestoßen haben (lacht).

Natalie: Für mich persönlich gab es drei Punkte, an denen ich mich mit ihm besonders emotional verbunden gefühlt habe. Der Erste war tatsächlich bereits nach 30 Kilomtern, da ich merkte, dass sein Puls diesmal prima mitmacht. Bei Läufen davor war das oft ein Faktor, der ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und dazu führte, dass das Rennen nicht nach dem entsprechenden Können durchgezogen werden konnte. Daher mache ich mir da auch immer sehr große Sorgen. Da das diesmal jedoch nicht der Fall war, hatte ich bereits sehr früh das Gefühl, dass es diesmal gut klappen wird. Das führte auch dazu, dass ich etwas entspannter das Rennen verfolgen konnte. Der nächste Punkt war bei Kilometer 100. Hier war ich so stolz, dass er zum ersten Mal diese Zahl durchbrechen konnte. Abgerundet wurde das dann natürlich mit dem Zieleinlauf. Ich habe mich so sehr für ihn gefreut, dass er endlich mal zeigen konnte, wofür er das ganze Jahr so hart trainiert. Und als Partnerin war ich natürlich überaus glücklich, dass er heil und unverletzt die Ziellinie überquerte. Das ist für mich persönlich auch immer mit am wichtigsten.

Was ist wichtig, um jemanden bei einem Ultra zu supporten?

Johannes: Fangen wir mit der Ernährung an. Man sollte vom Leberkäsbrötchen bis hin zum perfekt gemischten Kohlenhydratgetränk alles im Repertoir haben. Praktisch ein kleines Tante Emma Lädchen immer und überall… Man sollte zudem auch noch ein Quäntchen psychologischer Fähigkeiten mit sich bringen. Wissen, wann und wie ich mich gegenüber dem Läufer (der sich gerade in einer physischen und psychischen Ausnahmesituation befindet) verhalte. Ich würde behaupten, einen Ultra zu supporten ist nicht gerade einfach, aber wunderbar! 

Natalie: Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man die Person sehr gut kennt und auch ohne viele Worte merkt, was sie gerade braucht oder wie es ihr geht.  Die Sportler sind in einer Extremsituation und da muss der Support auch ohne große Anweisung funktionieren. So muss man sich zuvor genau mit der vorzubereitenden Ernährung beschäftigen. Angefangen bei der Dosierung von Kohlenhydrat-Pulver, muss man ebenfalls die Anzahl und Auswahl an Gels und anderen Nährstoffen besprechen, damit der Läufer genau das erhält, was er gerade benötigt. Zusätzlich ist es wichtig, sich auch als Supporter die Strecke anzuschauen, da teilweise lange Fahrten nötig sind, um an der Strecke zu stehen. Hier sollte man vorab genaue Treffpunkte ausmachen, an denen man auch pünktlich zum errechneten Zeitpunkt wartet. Hier sollte jedoch auch beachtet werden, dass der zu Supportende eventuell etwas schneller ankommt als man damit gerechnet hat. Das hat öfters mal zu stressigen Situationen geführt (grinst).

Zuletzt ist es noch wichtig zu wissen und zu spüren, welche Art von Support dem Sportler am meisten hilft. Manchmal braucht es eine motivierende Anfeuerung und manchmal sind weniger Worte mehr. Da ich mittlerweile aber auch schon bei vielen Rennen dabei war und ich Chris natürlich gut kenne, denke ich, dass wir da ein extrem eingespieltes Team sind.

 

Was war für dich wichtig, Chris, im Hinblick auf die externe Unterstützung? Welche Art von Support hast du gebraucht?

Chris: Ich habe es gerade ja schon angeschnitten, dass der mentale Faktor zumindest für mich der wesentliche ist. Während des Rennens regelmäßig eng vertraute Personen an der Seite zu haben, ist aus meiner Sicht ein unglaublicher Vorteil. Sobald wir uns sehen, erkennt Natalie innerhalb von Sekunden die Situation und weiß, in welcher Verfassung ich gerade bin. Das geschieht schon wortlos, da muss man dann auch erst gar nicht versuchen, ihr irgendwas vorzumachen. Mit Johannes habe ich gemeinsam den TAR gefinished, er besitzt ein sehr gutes Fingerspitzengefühl und extreme Erfahrung, auf was es bei solchen Rennen ankommt. Sie finden in den jeweiligen Situationen stets die richtigen Worte, ordnen die Situation richtig ein. Das treibt einen währenddessen schon sehr voran.

Ein Ultra ist nicht nur körperlich eine extreme Herausforderung, sondern auch mental – Wie hast du die Tage danach erlebt?

Chris: Natürlich ist der Körper erstmal im Eimer und es benötigt einige Zeit, bis man wieder rund gehen kann und alle Wehwechen verheilt sind. Mental war das natürlich eine Masse an Eindrücken, ich vergleiche die langen Ultras gerne mit einem gesamten Leben komprimiert auf ein Minimum an Zeit. Man muss stets fokussiert bleiben, erlebt Höhen, kämpft sich aus Tälern und sammelt eine Vielzahl an Eindrücken. Danach ist man mental erstmal platt. Aber ich schätze, ebenso geht es den Supportern. So können beide Seiten nach dem Lauf ihre eigene Geschichte erzählen und man gemeinsam die Erinnerungen an den Lauf teilen. Unterm Strich glaube ich, dass es mental und körperlich für den Support auch nicht sehr viel weniger anstrengend war (lacht)

Quellenangaben und Querverweise:

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