19. September 2023

Fränkischer Backyard Ultra: „Von Franken nach Tennessee – we will see“ – Interview mit Sieger Stefan Miyagi

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Stefan Miyagi hat den 3. Fränkischen Backyard Ultra mit 30 – in Worten DREIßIG – Runden gewonnen. Wir gratulieren ihm recht herzlich und freuen uns, dass er eure Fragen zu seiner Vorbereitung, Train-Work-Life-Balance, worauf es bei solch einem Rennen ankommt und wie es bei ihm weitergeht hier beantwortet.  

Ein Backyard Ultra ist laut Wikipedia eine extreme Form des Langsreckenlaufs über eine unbeschränkte Zahl an Runden, bei dem eine Runde 4,167 Meilen (6,706 Kilometer) lang ist, und die Läufer jeweils genau eine Stunde Zeit haben, um je eine Runde zu laufen. Im Unterschied zu üblichen Laufwettbewerben gewinnt nicht die Person mit der schnellsten Zeit – Sieger wird, wer nicht aufgibt.

Wer ist dieser Stefan Miyagi?

Kurz und knapp. Ich bin ein leidenschaftlicher Ausdauersportler und sehr gerne draußen unterwegs. Ich habe immer schon den Drang gehabt, mich auf längeren Distanzen zu beweisen, was mir auch gut liegt. Egal ob beim Radfahren, Triathlon oder beim Laufen. In den letzten Jahren habe ich mich voll aufs Trailrunning fokussiert und durfte schon sehr faszinierende Rennen wie z.B. den UTMB, TAR, Lavaredo Ultratrail laufen.

Was reizt dich daran 6,706 Kilometer in Runden zu laufen?

Spannend ist zunächst, warum es sich eigentlich um genau diese unrunde Zahl an KM dreht. Läuft man diese 6,7km 24 Stunden lang, kommt man genau auf die 100 Meilen. 6,7 km hört sich recht einfach an – und ist es auch. Zumindest am Anfang. Die Pausen erscheinen lang und man kann sich eigentlich um alles kümmern, was man braucht oder in die nächste Runde mitnehmen will. Doch je fortgeschrittener das Rennen wird, desto kürzer erscheinen die Pausen. Hier ist es wichtig, dass man auch wirklich das umsetzt, was man sich während des Laufens vorgenommen hat und mit einem gewissen Plan an die Sache geht. (Was esse ich? Was trinke ich? Toilette? Muss ich mich umziehen? Schuhe wechseln? Füße hochlegen? Was nehme ich als Verpflegung in die nächste Runde mit?) Der Reiz an sich liegt aber sicherlich daran, dass man seinen Körper sehr gut kennen und den Pace daran anpassen muss. Ist man zu schnell, rächt sich das hinten raus. Schon kleine Fehler können zu einem zu frühen Ende des Rennens führen.. 

Was mich besonders an dem Format fasziniert, ist der psychische Faktor. Denn das Rennen hat kein Ende, daher ist es sehr schwer planbar. Und das ist bei vielen Läufern das “Problem”. Viele setzen sich schon im voraus Ziele und sind mit deren Erreichen dann zufrieden und steigen aus dem Rennen aus. Rein läuferisch könnten sie bestimmt noch länger, aber der Kopf will einfach nicht mehr.  Also es ist ein Rennen, bei dem der Körper gut mitspielen muss und man sich keine groben Fehler erlauben darf, aber der Kopf setzt am Ende das Limit.

Wie unterscheidet sich das Training auf einen Backyard Ultra im Vergleich zum Training auf einen Ultra und was empfiehlst du Einsteigern?

Im Grunde ist das Training nicht sehr unterschiedlich – zumindest war es das bei mir nicht. Fokus bei mir war in der ersten Jahreshälfte die Vorbereitung auf klassischen Trailruns mit dem Highlight Mozart 100. Erst zwei Monate vor dem Wettkampf habe ich mein Training etwas angepasst und habe meine Einheiten am Berg reduziert. In diesem Jahr habe ich auch öfters versucht, doppelte Einheiten zu machen. So hab ich am Abend öfters noch mal eine kurze Backyardrunde absolviert. Im Juli/August habe ich bewusst nochmals mein Kilometerpensum nach oben geschraubt, um meinen Körper an permanente Belastung zu gewöhnen. Es ging mir dabei nicht nur um meinen Pace, sondern eher Kilometer gesammelt zu haben. Dazu muss ich aber sagen, dass ich ohne Trainingsplan und in erster Linie nach Bauchgefühl trainiere. Also es kann gut sein, dass es hier noch weiteres Optimierungspotenzial gibt.

Für Einsteiger ist ein Backyard Ultra die perfekte Gelegenheit, um sich und seinen Körper auf langen Distanzen besser kennenzulernen, ohne dies gleich bei einem Ultra in unwegsamen Gelände tun zu müssen. Sie setzen sich in der Regel ganz andere Ziele und wollen z.B. 100 km – eine Nacht – oder eine bestimmte Anzahl an Runden absolvieren.

Du bist Familienvater und leitender Angestellter in einer Online-Agentur. Wie vereinst du Job, Familie und Training?

Ich denke, dass unter vielen Sportarten der Laufsport noch relativ familienfreundlich ist. Unter der Woche geht es entweder mit dem Rad oder laufend in die Arbeit – sollte ich abends noch laufen, muss ich das in der Regel mit Stirnlampe tun, da ich es vor 21 Uhr nicht aus dem Haus schaffe ;-). Hin und wieder gehe ich auch in der Mittagspause raus und  trainiere auf den Trails rund um den Nürnberger Tiergarten. Am Wochenende plane ich dann meinen langen Lauf in der Regel  am Sonntag ein, versuche dann aber immer bis spätestens zum Mittagessen wieder zuhause zu sein.

6,706 Kilometer in einer Stunde kann man langsam oder schnell laufen, abhängig von der Pause die man braucht oder will. Was war deine Strategie?

Meine Strategie vom Vorjahr hat gut gepasst. Daher bin ich ihr auch in diesem Jahr treu geblieben. Ich habe im Durchschnitt 52 Minuten für die Runde gebraucht. Das war eine sehr angenehme Geschwindigkeit auf der Strecke, bei der ich mir viele Gehphasen leisten konnte. Und die 8 Minuten Pause haben mir völlig ausgereicht.

Was war dein schönster Moment, was war nicht so schön?

Der schönste Moment war kurz vor Start der Runde 27 als mein Mitläufer Mitchell zu mir kam und mir sagte, dass er schon total fertig sei – für mich aber die nächsten 3 Runden noch mitlaufen würde, damit ich dann die 30te Runde anhängen und das Silver-Ticket bekommen würde. Ich fand das eine super Aktion von ihm, noch 3 Stunden für mich “dranzuhängen” und bin dafür sehr dankbar! Damit war auch klar, dass ich das Rennen praktisch gewonnen hatte. 

Aber ein Backyard hat SEHR VIELE schöne Momente. Viel schönere Momente als jedes andere Wettkampfformat. Du kannst dir jede Runde einen neuen Laufpartner oder Partnerin aussuchen, lernst viele neue nette Leute kennen. Geschwindigkeit spielt ja keine Rolle. Es wird viel gescherzt und gelacht – der Spaßfaktor ist extrem groß. Daher herrscht eine sehr freundschaftliche, gemeinschaftliche Atmosphäre mit einem tollen Spirit. 

Die Frage, was nicht so schön war, ist schon schwerer zu beantworten. Orga, Strecke und Teilnehmer waren ja TOP. Was mit zunehmender Länge natürlich etwas “belastet” war der Fakt, dass man nicht weiß wie lange sich das Rennen noch hinziehen wird. Muss ich mich noch durch die nächste Nacht quälen oder nicht? Das ging mir um die 100 Meilen schön öfter durch den Kopf. Aber das ist ja “part of the Game”.

Nach 30 Runden war das Rennen für dich beendet, Hand auf's Herz, wie lange hättest du noch gekonnt?

Mental hatte ich mich schon auf die zweite Nacht eingestellt.  Ich war zugegebenermaßen froh, dass ich dann nur noch eine neue Runde in der Dunkelheit laufen musste. In der zweiten Nacht wird es dann schon doof, da der Kopf nicht mehr wie gewohnt funktioniert und der Schlafentzug zu wirren Gedanken und Halluzinationen führt. Es wären schon noch ein paar Runden gegangen – wie lange lässt sich aber nicht beantworten.

Wie geht's weiter?

Durch das Erreichen der 30 Runden habe ich mir das Siver-Ticket für die Satellite-WM im nächsten Jahr im Oktober sichern können. Das ist für mich eine sehr große Ehre und motiviert mich ungemein, im Team Deutschland mit 14 anderen Deutschen gegen die anderen Nationen weltweit gemeinsam anzutreten. Die Satellite WM ist auch gleichzeitig die Deutsche Meisterschaft. Da möchte ich natürlich alles aus mir herausholen, um möglichst viele Runden zu sammeln und womöglich bei der Einzel-WM in Tennessee, USA, zu starten. Der Weg dahin ist noch weit. Alles ist möglich – we will see! 😉 

Quellenangaben und Querverweise:

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