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An einem guten Tag wollte Ida-Sophie Hegemann bei der WM in die Top 15 laufen. Dann kämpfte sie sich in einem schweren Rennen mit Magenproblemen ins Ziel - und landete auf Platz 15. Die sympathische Läuferin über verrückte Tage in Innsbruck und eine große Überraschung Ende August.

Liebe Ida, was machen die Beine, was macht der Magen? 

Ich kann wieder stehen und auch dem Magen geht es wieder relativ gut. Wenn ich mir die Schuhe zubinde, schießt es mir aber schon noch in die Oberschenkel. Mein Magen hat noch ein paar Tage gebraucht, bis ich wieder normal essen konnte. Solange konnte ich mich nicht regenerieren, die Muskeln konnten nicht versorgt werden. Das spüre ich schon noch arg. Wenn man so viele Stunden unterversorgt läuft, hinterlässt das Spuren. 

Wie hast du dich dann die letzten Tage ernähren können? 

Drei Tage hat es gedauert, bis mein Magen halbwegs normal war. Ich habe auf Obst, Gemüse und Milchprodukte verzichtet, habe auch kein Koffein getrunken. Ich habe nur Kohlehydrate gegessen, viel Brot. Jetzt kann ich zum Glück wieder Nudeln und Pizza essen. 

Hattest du schon mal solch starke Magenprobleme während eines Rennens? 

Ja, tatsächlich letztes Jahr beim Innsbruck Alpine auf den 110 Kilometern. Da lag es eher daran, dass ich den Tag vorher schon Probleme hatte, weil ich ein Essen im Restaurant nicht vertragen habe. So wie es jetzt war, hatte ich es noch nie. Ich habe gar nichts mehr drin behalten können und habe mich ständig übergeben. Es war wirklich super hart. Der Teamspirit und die Aussicht auf eine Team-Medaille waren der Antrieb, dass ich mich die letzten 30 Kilometer ins Ziel gequält habe. Es war echt zach. (lacht)

Du warst als Postergirl omnipräsent in Innsbruck vertreten. Hat dich das auch unter Druck gesetzt? 

Es war wirklich komisch (lacht). Ich habe mich natürlich geehrt gefühlt, ein Gesicht der WM zu sein, aber klar, es war auch mit Druck verbunden. Es hat mich jeder erkannt, der Busfahrer oder die Nachbarin, die gar nichts mit Sport zu tun hat. “Du bist die vom Plakat, du bist doch die Läuferin, oder?” – Das höre ich echt oft, auch jetzt noch, nach der WM.  

Ich wusste, dass mir die Strecke gar nicht liegt, sie war für mich viel zu technisch und viel zu steil. Das musste ich den Leuten dann erst einmal erklären, dass ich nicht gewinnen werde, auch wenn ich überall auf den Postern zu sehen war. (lacht) 

Wie waren die Momente vor dem Start für dich? Nimmst du dein Umfeld noch wahr?

Ich bin immer sehr angespannt. Dieses Mal war es besonders krass. Ich habe mich in den Sekunden vor dem Start in Hannes (Namberger) Nähe aufgehalten, er hat für mich Ruhe und Professionalität ausgestrahlt – Das habe ich in dem Moment gebraucht. Meine Familie hatte sich auf der ganzen Strecke verteilt, die habe ich davor nochmal umarmt. Sonst habe ich versucht, in einen Tunnel zu kommen. 

Erinnerst du dich noch, was du gedacht hast, als du das Ziel gesehen hast? 

Das letzte Stück kam mir unendlich lang vor. Ich habe das Ziel und die Leute schon gehört, dachte mir aber gleichzeitig, dass ich einfach keinen Meter voran komme. Auf den letzten hundert Metern habe ich realisiert, dass wir die Silbermedaille haben, das hat mich unglaublich glücklich gemacht. 

War die Team-Medaille euer Ziel? 

Ich wusste, dass wir die Chance auf eine Medaille haben, aber keiner hat sie angesprochen. Die Anspannung war riesig. Ich wollte vor dem Rennen den Mädels noch sagen, dass wir es schaffen können und alles geben müssen, wusste aber auch nicht, ob für die Anderen eher die Einzelmedaille oder die Teamwertung im Vordergrund steh. Das hat sich dann aber von selbst geregelt.  

Du meintest im Vorfeld, dass du an einem guten Tag in die Top 15 laufen willst. Dann war es ein super hartes Rennen für dich. Hat deine Platzierung jetzt einen ganz anderen Stellenwert, nach all dem Leiden? 

Definitiv. Ich hatte wirklich solch einen schlechten Tag und hatte lange das Gefühl, dass ich  nicht ins Ziel kommen werde. Ich bin überglücklich, dass es zu einem Top 15 Platz gereicht hat. Das gibt mir viel Hoffnung und Mut für die kommenden Jahre. Natürlich stellt man sich dann auch die Frage, was an einem guten Tag drin gewesen wäre, aber so ist das Ultralaufen.

Andere Nationen sind weitaus besser aufgestellt, was Trailrunning-Srukturen auf Verbandsebene angeht. Wird sich das in Deutschland nach der WM ändern? 

Ich weiß nicht. Der Sport hat auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit bekommen. Alle Athletinnen und Athleten haben einen Sponsor im Rücken, der es uns ermöglicht, Trailrunning als Beruf auszuüben. Sie wollen natürlich, dass wir in ihren Klamotten und Schuhen laufen. Auch das erschwert Verbandsstrukturen. Ich würde den Fehler also gar nicht nur beim DLV suchen. Der Trailrunning-Sport hat sich einfach aus einer anderen Ecke heraus entwickelt. Wir Athleten haben unsere Rennen, die wir für unseren Sponsor oder für uns selbst laufen wollen. Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften passen da oft einfach nicht in den Zeitplan mit rein. Ich denke trotzdem, dass sich viel tun wird und ich würde mich auch dafür einsetzen, dass es künftig bessere Strukturen gibt. 

Die nächste WM findet 2025 in Canfranc-Pirineos-Spanien statt. Wird es schwer, die gleiche Aufmerksamkeit wie in Innsbruck zu erlangen?

Es war für uns Trailrunner eine wahnsinnige Bühne und ich glaube nicht, dass andere WM-Ausrichter mit Innsbruck mithalten können. Die nächste WM ist nur wenige Wochen nach dem UTMB. Alle gesponserten Athletinnen und Athleten werden natürlich dort laufen wollen. Da wird niemand, der in Chamonix die 100 Kilometer oder 100 Meilen läuft, wenig später bei der WM für sein Land im Long Trail starten. Tirol hat die Messlatte wirklich hoch gelegt. So richtig verstehe ich die Intention der World Athletics nicht, wie man die nächste WM vom Zeitpunkt her so legen kann. 

Hat die WM für dich trotzdem einen besonderen Stellenwert? 

Es war mein Traum und mein großes Saisonziel, nominiert zu werden und bei der WM zu starten. Ich war Feuer und Flamme, für mein Land in meiner Wahlheimat im Nationaltrikot zu laufen. Meine Mama hat mir immer gesagt: Ida, das war dein Traum, du bist bei der WM dabei, egal wie es läuft. Das hat mir ein bisschen Druck rausgenommen. Denn es stimmt ja, ich war dabei und mein Traum hatte sich damit schon erfüllt. Das hat mir am Ende viel Kraft gegeben. 

Deine Familie war zum Großteil mit vor Ort. Wie erlebten sie das Rennen?

Meine Eltern, zwei Brüder und meine kleine Schwester Mimi waren in Innsbruck, die wurden sogar von der Schule befreit. Meine älteren Brüder mussten daheim bleiben und auf die Hunde aufpassen. Die standen alle total unter Strom. Mimi sagt immer: Es darf alles passieren, du darfst nur nicht weinen. Damit kann sie schlecht umgehen. Im Ziel haben wir beide so geweint, das gab es so auch noch nicht. Ich glaube, alle waren einfach froh, dass ich es geschafft hatte. Das ging uns allen unheimlich nah. 

Was steht dieses Jahr noch bei dir an? 

Ich habe noch ein FKT-Projekt mit The North Face, mehr darf ich allerdings noch nicht verraten. Es wird ein Film gedreht, der andere Frauen zum Trailrunning ermutigen soll. Und dann gibt es noch andere Neuigkeiten, ich werde den UTMB laufen! Ich habe mit Pau Capell und Fernanda Maciel aus meinem Team gesprochen, ob es klug ist, dort zu starten.  Klar war es mein Wunsch, aber ich bin ja noch jung. Sie meinten beide, dass ein UTMB beim ersten Mal so gut wie nie klappt, man so viel lernt und ich deshalb früh genug damit anfangen soll.  

Ich mache das jetzt einfach, stelle mich an die Startlinie und versuche, Spaß zu haben. Ich freue mich, aber ich habe natürlich auch großen Respekt. Ich werde jetzt viel trainieren, nachts zu laufen, mich nachts zu verpflegen und werde auch vier Wochen ins Höhentrainingslager gehen, um zu sehen, wie sich das auf meine Leistung auswirkt. 

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