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Daniela Oemus hat turbulente Wochen hinter sich. Am 14. Mai gewann sie sensationell den Bergmarathon im baskischen Zegama - als erste Deutsche wohlgemerkt. Dann wurde sie überraschend für die Kurzdistanz bei der Trailrunning-WM in Innsbruck vom 6. bis 10. Juni nachnominiert. Ob sie vor der WM einen besonderen Druck merkt und wie sich Leistungssport, ein Job im Krankenhaus und zwei Kinder vereinbaren lassen, erzählt sie im Interview. Wir erreichen sie telefonisch in der Sächsischen Schweiz, wo sie gerade mit ihrer Familie Kraft für die nächsten Wochen tankt.

Herzlichen Glückwunsch Daniela zum Sieg in Zegama. Wir alle haben die Bilder der Schlammschlacht gesehen, trotzdem bist du leichtfüßig wie keine andere durch den Matsch gerannt. Nimm uns mal mit, wie war das Rennen? 

Das war wirklich ein einmaliges Erlebnis. Ich bin relativ unbeschwert hingegangen und habe mir vorgenommen, in den Top 10 zu landen. Am Ende war es dann doch überraschend, dass ich auf Platz 1 gelaufen bin. Mit einer Schlammschlacht haben wir alle gerechnet, auch für den Renntag war schlechtes Wetter gemeldet. Dass es allerdings so tiefen Schlamm gibt und es so rutschig sein wird, das habe ich aber auch nicht gedacht. 

Zegama ist für seine einzigartige Stimmung entlang der Strecke bekannt. Wie hast du das empfunden? 

Es gab zwei steile Anstiege, an denen wirklich wahnsinnig viele Zuschauer standen, trotz des Regens und des teilweise starken Sturmes. Das Wetter hat der besonderen Stimmung wirklich keinen Abbruch getan. Es gibt in Zegama das Sprichwort “Die Ohren tun mehr weh als die Beine”, das stimmt tatsächlich. 

Macht es für dich im Vorfeld eines Rennens einen Unterschied, wenn das Wetter so extrem ist? 

Eigentlich nicht. Man versucht immer das abzurufen, was man im Training aufgebaut hat. Im Training läuft man ja auch, wenn die Sonne scheint, es regnet oder schneit. Die Einstellung ist bei einem Wettkampf nicht anders. Die Bedingungen sind für alle gleich, da müssen alle durch. Natürlich laufe ich lieber bei Sonnenschein, aber man kann sich das bei den Trails eben nicht aussuchen. Und dafür läuft man sie ja auch. 

Du hast am Anfang erst einmal gar nicht gemerkt, dass du das Rennen in Zegama gewonnen hast. Wie kann man sowas denn nicht merken, wenn man über die Ziellinie läuft? 

Am Anfang wusste ich, dass ein paar Frauen vor mir waren. Das hat für mich ganz gut gepasst. Dann habe ich ein paar Läuferinnen überholt. Bei Kilometer 15 hat mir jemand auf Spanisch etwas zugerufen, ich dachte, er sagte mir, ich wäre Sechste. Dann habe ich zwei weitere Läuferinnen überholt und dachte, ich wäre Vierte oder Fünfte. Mir war relativ klar, dass die Überholten nicht weit hinter mir sind, ich konnte mich also nicht gehen lassen. Dementsprechend habe ich Gas gegeben. Ich wollte nicht, dass mich eine der Frauen wieder überholt. Ich weiß nicht, ob die Leute entlang der Strecke ab einem bestimmten Punkt denken, dass man seine Position kennt. So richtig hat mir jedenfalls niemand gesagt, dass ich Erste bin. Dann habe ich das Zielband gesehen und war erstmal verwirrt. (lacht) Ich dachte, dass sie vielleicht für die ersten drei Läuferinnen das Band aufhängen, was ja eigentlich gar keinen Sinn macht. Ich habe den Kommentator nach dem Zieleinlauf gefragt, welchen Platz ich eigentlich erreicht habe. Es zeigt, dass es sich immer lohnt, bis zum Ende alles zu geben, egal welchen Platz man hat oder glaubt zu haben. Das ist mein Fazit der ganzen Sache. (lacht)

Du hast als erste deutsche Frau überhaupt und als Zweitschnellste in der Geschichte von Zegama gewonnen. Bedeutet dir sowas etwas?

Ob ich die Erste oder Zweite Deutsche bin, ist für mich nicht so wichtig. Aber der Lauf an sich ist in der Szene bedeutend, deswegen ist es für mich schon etwas ganz besonderes, dass ich dort gewonnen habe. 

Was war seitdem bei dir los? Du warst als Interviewpartnerin bestimmt heiß begehrt…

Es zwar ziemlich verrückt. Ich kam aus Zegama zurück, einen Tag danach gab es das erste Interview mit dem Trail Magazin. Dann waren Freunde zu Besuch, ich musste arbeiten und wir sind zu meiner Familie gefahren und haben Geburtstag gefeiert. Ich glaube, es gab erst einen Tag, an dem wir keine Termine hatten und etwas durchschnaufen konnten. Letzte Woche habe ich wieder gearbeitet und über Pfingsten sind wir in die Sächsische Schweiz gefahren und kommen hier etwas zur Ruhe. Das ist gerade sehr angenehm. 

Schaust du dir vor Rennen die Starterliste an und rechnest dir aus, was für dich möglich ist? 

Ich schaue mir schon grob die Starterliste an, aber daran mache ich nichts fest. In Zegama in die Top10 laufen zu wollen, war vielleicht auch Wunschdenken. Ich habe über den Winter ganz gut trainiert und nach Adam Riese müsste ich dieses Jahr besser in Form sein als letztes Jahr. Letztes Jahr habe ich Mitte März entbunden und war bis Herbst logischerweise nicht in Topform. Deswegen war es eher ein Bauchgefühl. 

Vor erst 14 Monaten hast du dein zweites Kind auf die Welt gebracht – und jetzt bist du schon wieder in Topform. 

Auf mich bezogen kann ich sagen, dass ich nach einem Jahr schon wieder eine ganz gute Form aufbauen kann. Davor finde ich es schwierig. Das mag natürlich nicht auf jede Frau zutreffen, das ist ganz individuell. Nach der ersten Schwangerschaft war ich ein Jahr später auch schon wieder ganz gut drauf. 

Die UTMB World Series haben im April neue Richtlinien für Schwangere auf den Weg gebracht, die es Müttern und Vätern künftig einfacher machen soll, Rennen zu verschieben. Wird im Trailrunning genug getan, damit vor allem Frauen Familie und Leistungssport vereinbaren können?

Das Verschieben von Startplätzen, man die man nur eingeschränkt rankommt, wie beim UTMB, ist sicherlich ein schöner Anfang. Das Wesentliche ist aber eher, wie man während und kurz nach der Schwangerschaft sein Geld bezieht. Wenn man einen “normalen” Arbeitgeber hat, bekommt man in Deutschland eine Gehaltsfortzahlung im Mutterschutz und Elterngeld in den ersten 14 Monaten. Manche Sponsoren machen das sicherlich auch auf eine ähnliche Art und Weise. Allerdings gibt es dazu keine geschriebenen Gesetze, und das finde ich schwierig. Läuferinnen sind ja genauso wie Männer auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen und könnten bedingt durch Schwangerschaft und Geburt für einige Monate keine Wettkämpfe bestreiten. 

Du wurdest für die WM in Innsbruck für den Shorttrail nachnominiert. Kam das für dich überraschend?

Ja schon. Ich kenne ja die Normen und Richtlinien des DLV. Wenn die Frist  vorbei ist, ist sie vorbei. Als ich die Nachricht bekommen habe, dass ich nachnominiert werden soll, war ich schon überrascht. Ich dachte mir, dass es bestimmt nichts wird, dafür sind die Strukturen einfach zu festgefahren. Umso schöner, dass es doch noch einen Weg gab.

Spürst du jetzt einen besonderen Druck? 

Ich habe schon das Gefühl, dass sich die Augen auf mich richten. Die dreieinhalb Wochen zwischen Zegama und der WM reichen an sich zum Regenerieren. Das Starterfeld ist allerdings ziemlich stark. Insofern muss ich  jetzt gucken, was in Innsbruck geht. 

Bis dahin sind es nur noch zwei Wochen. Wie sieht das Training bis dahin bei dir aus?

Wir sind noch ein paar Tage mit der Familie in der Sächsischen Schweiz. Das ist ein schönes Laufdomizil. Es gibt viele Berge, viele Treppenstufen, steile An- und Abstiege mit technischen Passagen. Das werde ich auf jeden Fall nutzen und noch ein paar Dauerläufe machen. Dann vielleicht noch ein oder zwei schnelle Einheiten, aber viel wird nicht mehr passieren. 

Du arbeitest als Assistenzärztin für Orthopädie, hast zwei Kinder, trainierst viel. Wie vereinbarst du Job, Familie und das Laufen? 

Ich bin jemand, der relativ viel Schlaf braucht. Das war in den letzten zwei Wochen auch nicht so einfach. Erst in den letzten Tagen bin ich so richtig zur Ruhe gekommen. Momentan ist mein Mann noch in Elternzeit, das ist natürlich schön. Ich brauche früh kein Kind in den Kindergarten bringen und muss sie nachmittags auch nicht abholen. Ansonsten könnte der Faktor Zeit im Hinblick auf Training und Regeneration durchaus optimaler sein. Aber das ist nicht zu ändern. Ich habe im Krankenhaus eine 60 Prozent Teilzeitstelle und mache drei 24-Stunden-Dienste im Monat. Wir werden sehen, wie sich das alles einspielt, wenn mein Mann wieder arbeiten geht. Es ist nicht einfach, aber Zegama hat mir gezeigt, was man mit einem vergleichsweise geringen Trainingsvolumen viel erreichen kann. 

Du wohnst mit deiner Familie in der Nähe von Jena. Wie sind die Trainingsbedingungen bei dir vor Ort?

Für Mitteldeutschland haben wir einen recht optimalen Wohnsitz. Die Berge sind nicht hoch, aber es gibt steile Anstiege, die auch nicht ganz einfach zu laufen sind. Wir haben teilweise Bedingungen, wie man sie auch in den Alpen findet. Vom technischen Anspruch müssen wir uns in Jena nicht verstecken. Die Berge sind allerdings relativ kurz, maximal 200 Höhenmeter am Stück, mehr kriegen wir nicht zusammen. Für alles andere müssen wir in den Urlaub fahren. 

Was steht in diesem Jahr abseits der WM noch bei dir an? 

Ich möchte auf jeden Fall noch ein paar Rennen der Golden Trail World Series laufen, wahrscheinlich wird es der Marathon du Mont Blanc und der Dolo Myth. Danach muss ich erstmal gucken. Sierre Zinal wäre der vierte Lauf der Golden Trail Series, aber der OCC, den ich unbedingt laufen will, ist schon zwei Wochen später. 

Welches Rennen sollte jeder Trailrunner mal gelaufen sein? 

Ich komme aus Thüringen, den Rennsteig! Von der Stimmung her auf jeden Fall. Den Marathon oder Super-Marathon würde ich empfehlen. Den Halbmarathon finde ich nicht ganz überragend, aber das ist Geschmackssache. Die anderen beiden Strecken finde ich vom Profil her interessanter. Es ist nicht der klassische Traillauf, aber die Stimmung und das ganze Event ist einzigartig. 


Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Daniela alles Gute für die Weltmeisterschaft in Innsbruck.

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