Event-Typ
Land
Distanz
Datum

Es gibt Ideen, die einen über Jahre beschäftigen und immer mal wieder kurz ins Bewusstsein drängen. Man denkt irgendwie unspezifisch darauf rum, legt sie aber doch wieder beiseite, weil sie vielleicht zu absurd wirken oder auch gerade nicht so recht reinpassen wollen. Aber so ganz lassen sie einen dann doch nicht los. Und wenn sich dann die Chance zur Umsetzung bietet, hat man zumindest einen ausreichend soliden Grundstock zusammen, um rasch in die Umsetzung zu gehen. 

 

So oder so ähnlich erging es mir in den letzten Jahren. Ich hatte immer wieder lose darüber nachgedacht, mit dem Rad in meine alte Heimat zu fahren. Dabei hatte ich auch immer mal grob Strecken geplant oder die Logistik dahinter gedanklich angerissen. Aber irgendwie war der Fokus doch immer zu stark aufs Laufen ausgerichtet und die notwendige Zeit für so ein Vorhaben war einfach zu knapp bemessen. Nachdem ich nun ohnehin eine Reise in die Heimat geplant hatte, kam diese alte Idee eine Woche vorher wieder hoch und umso länger ich darauf rumdachte, desto weniger Argumente wollten mir dagegen einfallen. So verfestigte sich dieser flüchtige Gedanke schnell zu einem ernsthaften Vorhaben, das auch Verena mit einschließen sollte.

Erfahrungen mit längeren Strecken auf dem Rad konnte ich bereits letztes Jahr ausreichend sammeln und so wusste ich, dass ich auch mit kleinem Gepäck und gelegentlichen Stopps an Tankstellen und Supermärkten gut durch so ein Abenteuer kommen würde. Für die Streckenplanung probierte ich ein wenig zwischen Google, Strava und Komoot herum, blieb am Ende aber bei letzterem hängen. Gerade eine saubere Streckenplanung ist bei einem solchen Vorhaben entscheidend und erspart einem viel Stress zwischendurch. Die Planung ergab am Ende stattliche 486 km mit nicht ganz 5000 hm. Eine richtig gute Unterkunft wollte sich leider nicht finden lassen und so ließ ich diesen Punkt einfach offen, schließlich findet man in Deutschland ja immer irgendwas zum Schlafen. Auf dem ersten Teilstück bis Fulda sollte mich zudem Verena begleiten.

 

Nachdem ich freitags bereits von Koblenz nach Taunusstein geradelt war, sollte es Samstagmorgen nun endgültig losgehen. Nach einem entspannten Frühstück rollten Verena und ich in Taunusstein los, aber bereits nach 50 m war vorerst wieder Schluss. Verenas Schaltung streikte. Leider konnten wir auf die Schnelle keine Abhilfe schaffen und so musst ich mich allein auf den Weg machen. Gerade auf den ersten Kilometern war dies sehr ärgerlich, weil wir uns Beide auf die gemeinsame Ausfahrt gefreut hatten. Ein erster kleiner Rückschlag.

Nun also doch von Anfang an allein. Die ersten zwei bis drei Stunden musste ich zwischen Taunus und Frankfurt eingerahmt Richtung Osten zurücklegen und fand aufgrund der belebten Straßen und des teils scharfen welligen Terrains nur schwer in einen Rhythmus. Zuviel Stop&Go und zu viele Gedanken im Kopf. Nachdem ich diese belebte Umgebung hinter mir gelassen hatte und ich mich an einem Supermarkt in Heldenbergen erstmal versorgt hatte, kam ich immer besser rein und ein gewisser Flow stellte sich ein. Ich glitt sanft zwischen grünen und gelben Feldern durch die Landschaft und erfreute mich bald am Vulkanradweg, dem ich für die nächste Zeit folgen sollte. Leider zog am Horizont ein kleines Unheil in Form eines kräftigen Regengusses auf und eh ich mich versah, war ich in Mitten eines stürmischen Starkregens gefangen. Der einzige kleine Schutz bot sich hinter einer Hauswand, da der Regen horizontal viel und so ein wenig über mich hinweg gleiten konnte. Nach gut 10 Minuten war der Spuk zum Glück vorbei und ich konnte meinen Weg Richtung alte Heimat fortsetzen. 

 

Fulda war nun schnell erreicht, wo ich mich erneut in Ruhe verpflegte. Supermärkte sind dabei eine günstige und fast ebenso schnelle Variante wie Tankstellen, im Zweifel aber vorzuziehen. Spätestens ab Fulda machte die Strecke dann ernst, denn auch wenn ich bis hier bereits ein paar schöne Höhenmeter in den Beinen hatte, so wurde es ab hier richtig anspruchsvoll. Die Rhön ist eine wunderschöne Landschaft, die mit Highlights wie dem Milseburgerradweg nicht geizt. Andererseits muss man sich diese Highlights und Fernsichten hart in Höhenmetern erkämpfen. Dabei findet man schon mal Rampen mit bis zu 20% Steigung. Ein besonderer schöner und geschichtsträchtiger Abschnitt war dabei die Abfahrt nach Tann (Rhön) und die anschließende Auffahrt zum Katzenstein. Dieser markiert gleichfalls die ehemalige innerdeutsche Grenze. 

Nun also Thüringen. Zunächst durfte ich mich an einer langen Abfahrt erfreuen und in der Folge blieb das Gelände zumindest tendenziell abfallend, sodass wieder merklich Kilometer von der Uhr genommen wurden. So kam ich mit dem anbrechenden Abend nach Schmalkalden an den Fuß des Thüringer Waldes. Hier versuchte ich an einer Tankstelle nochmals die Reserven aufzufüllen und mich ordentlich zu verpflegen. Leider wollte mein Magen nicht ganz so wie ich, sodass ich halbversorgt Richtung Neue Auspanne weiterfuhr. Als ich den höchsten Punkt am legendären Rennsteig erreichte, war die Nacht vollends hereingebrochen. In Anbetracht der langen Abfahrt zog ich mich daher warm an und musste leider feststellen, dass mein Magen immer noch nicht so recht aufnahmefähig war. Eine Unterkunft war hier um die Uhrzeit auch nicht zu bekommen und so beschloss ich vorerst bis Erfurt weiter zu rollen. 

 

Die Abfahrt gestaltete sich äußerst frisch, weil man längere Zeit keine Energie investieren musste. Glücklicherweise beruhigte sich der Magen währenddessen langsam wieder und noch vor Erfurt konnte ich wieder halbwegs ordentlich Energie zuführen. In Erfurt selbst waren die Lebensgeister wieder vollkommen zurückgekehrt und der Tritt versprühte wieder eine gewisse Leichtigkeit. Auch der Verpflegungstop an einem Tankcenter verlief wieder problemfrei. Nachdem es nun Mitternacht war, Verpflegung und Energielevel passten und auch die Nacht weitestgehend angenehme Bedingungen versprach, konnte ich nun das angehen, was bis dato eher als leise Idee im Hintergrund geschlummert hatte: Durchziehen bis nach Weinböhla und damit nonstop für 24 h plus unterwegs zu sein. 

 

Von Erfurt aus war der Charakter der Tour ein gänzlich anderer. Wo vorher bekannte deutsche Mittelgebirge thronten, bot die Landschaft nun eher seichtere An- und Abstiege. Wirklich flach wurde es dabei nie. In schneller Folge kamen jetzt Weimar, Apolda und ich nahm als nächstes Ziel Zeitz in den Blick. Gerade diese Abfolge markanter Orte halft insbesondere nachts die Motivation aufrecht zu halten. Nachdem ich bei Camberg die Saale überquert hatte, landete ich auf dem Zuckerbahnradweg, dem ich bis Zeitz folgte. Das Fahren bei Nacht stellte sich dabei als äußerst entspannt heraus. Die Straßen waren frei und auf den Radwegen konnte man ungehindert vorankommen. Wer ungestört in die Pedale treten möchte, sollte vielleicht häufiger bei Nacht unterwegs sein. 

Während ich von der Zuckerbahn aus nach Zeitz hineinkam, dämmerte bereits der Morgen. Durch die zunehmend helle und klare Morgenstunde bahnte ich mir den kühlen Weg Richtung Sonnenaufgang und fand alsbald eine kleine Tankstelle mit frischem Kaffee. Genau zur richtigen Zeit, denn langsam aber sicher kroch eine gewisse Müdigkeit in die Glieder. Nachdem ich beim Hinsetzen leider den Hocker nur halb getroffen hatte, bliebt mir zumindest noch ein halber Kaffee und ein leckerer Muffin zum Frühstück. Hinsetzen und sprechen war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht mehr parallel möglich. Umso angebrachter war die Pause. 

Erfrischt und mit der Zuversicht des aufkommenden Tages ging ich anschließend in die letzten rund 100 km. Durch alte Industriestädte und über verschlungene kleine Sträßchen und Dörfer kam ich meinem Ziel immer näher. Eine besondere Entdeckung war dabei das Muldental mit der wunderschönen Stadt Leisnig. Die mittelalterliche Burg thronte imposant auf einem Felsvorsprung und gab dem ganzen Tal einen besonderen Charme. Aber auch danach führte der Weg mit müden Beinen weiter entlang des Flusslaufs und schließlich über den Scheergrund traumhaft schön aus diesem heraus. Übers weite Feld kam ich nun in bekannte Gefilde. Die Stadt Lommatzsch, welche mit Terence Hill verbunden ist, ist bereits nahe der Heimat. Von hieraus rollt man fast von allein bis ins Elbtal.

An der Elbe angekommen, radelte ich mehr stehend als sitzend Richtung Meißen und erfreute mich an dem vertrauten Blick auf die Albrechtsburg. Was früher wie eine Weltreise erschien, war nunmehr nur noch ein Katzensprung bis Weinböhla. Das Ziel meiner Reise war zum Greifen nah. Hier zeigte sich wie klein die Welt doch wird, wenn man diese stetig zu Fuß und auf dem Rad erkundet und seine Grenze immer weiter verschiebt. Richtige Dynamik wollte zum Ende natürlich nicht mehr aufkommen und so ließ ich es gemütlich ausrollen und kam schließlich nach insgesamt 25:30h in einem Rutsch Zuhause an. Glücklich und zufrieden und nur mit kleineren Blessuren konnte ich ein verdientes alkoholfreies Weißbier genießen und die Tour nochmal Revue passieren lassen. 

Dieser Ausflug ins Langstreckenradeln wird sicher nicht der letzte bleiben, sondern hat vielmehr Lust auf mehr gemacht. Neue Herausforderungen schwirren mir genug im Kopf herum. Fragt sich nur, wann sich die Nächste manifestiert. 

Instant Trailnews?

Abonniere den trailrunning24 Newsletter:

Instant Trailnews?

Abonniere den trailrunning24 Newsletter:

News, Events und Reports aus der Welt des Trailrunning direkt in deine Inbox.