Event-Typ
Land
Distanz
Datum
Über ihren Matschkampf in Patagonien und die Vorfreude auf die WM in ihrer Wahlheimat Innsbruck

An Ida-Sophie Hegemann werden in der kommenden Saison wohl nur wenige Läuferinnen und Läufer vorbei kommen. Die 25-Jährige zeigte mit ihren Siegen im letzten Jahr, u.a über die 110km beim IATF und dem erneuten Triumph beim Transalpine Run, dass ihr vor allem längere Distanzen liegen. In Patagonien lief sie vergangene Woche bei der ersten Ausgabe des Paso Austral Ultra Trails mit.

Du hast vor ein paar Tagen die 70k des Paso Austral Ultra Trails gewonnen. Erzähl mal, wie war das Rennen am Ende der Welt?

Puh das war ein hartes Rennen, die Trails waren komplett anders, als ich es bisher kannte. Am ehesten hat es mich manchmal an die Azoren Golden Trail Championships oder die Crossmeisterschaften früher in der Jugend erinnert. Ich war immer froh, wenn ich einen Uphill gesehen habe, denn dann kam man wenigstens voran. Die flachen Passagen waren dauerhaft im Sumpf und Matsch. Ich bin immer mindestens knöcheltief im Matsch gewesen, manchmal sogar bis zu den Knien. Ich weiß nicht, ob die Trails dort immer so sind, oder ob es einfach von dem vielen Regen der Tage zuvor kam. Dazu habe ich an die 30 Mal einen Fluss gequert, das gehört hier wohl auch ganz normal dazu. Manchmal war die Strömung schon echt stark und ich bis zur Hüfte im Wasser, aber dafür konnte man kurz matschfrei laufen. Bei den Flussquerungen hat mir eigentlich aber immer jemand die Hand gereicht und zu zweit geht das viel leichter. Das fand ich insgesamt wirklich schön, das Rennen hatte den Trail Running Spirit den ich so liebe und der in den Rennen bei uns in Europa mehr und mehr verloren geht.

Das hört sich ganz nach dem patagonischen Wetter an, wie man es sich vorstellt. Bist du das Rennen alleine gelaufen?

Ich bin in einer Gruppe mit drei anderen Männern gelaufen und wir haben uns immer gegenseitig unterstützt. Meistens habe ich für die Pace gesorgt, dafür haben sie mir bei jedem Fluss geholfen und auch an den Verpflegungsstationen haben wir uns gegenseitig beim Flaschen auffüllen geholfen. Insgesamt war das Rennen sehr hart und abenteuerlich, aber ich bin stolz auf meine Leistung. Ich habe mich da echt durchgebissen und konnte mir am Ende den Sieg bei den Frauen und den 3. Platz Overall sichern.

Auf was muss man sich vorbereiten, wenn man in Patagonien Trails läuft?

Auf viel viel Matsch und Wasser und wenn ich sage viel, dann ist es unvorstellbar viel. (lacht) Nächstes Mal würde ich auch knielange Strümpfe anziehen, denn meine Beine sind von den Ästen, Dornen und Gewächsen total zerkratzt. Selbst jetzt, eine Woche später, kann ich noch keine lange Hose darüberziehen. Und vielleicht einen Schutz für die Schuhe, damit nicht so viele kleine Steine und Äste hineinkommen. Das in Kombination mit dem vielen Nass hat mir viele Fußnägel und Blasen gekostet. Und ansonsten muss man verpflegungstechnisch gut aufgestellt sein, denn das ist auch anders als in Europa. Auch wenn das jetzt vielleicht nicht so klingt, aber: ich würde gerne wiederkommen und kann es jedem absolut empfehlen, einmal ein Trail-Rennen in Patagonien zu machen. Das war ein echtes Abenteuer und ich denke, es war auch eine super Vorbereitung für den Rest der Saison.

Wie bist du denn in die Saison gestartet?

Ich bin in der ersten Januarwoche ein Trail-Rennen aus dem Trainingslager heraus in Italien gelaufen. Das waren 42 km mit +1300 Höhenmetern. Da habe ich in 3:22 einem neuen Streckenrekord aufgestellt und gewinnen können. Ich habe mich richtig gut gefühlt. Danach lief das Training auch weiterhin vielversprechend. Ich habe dieses Jahr mein Training ein wenig umgestellt und glaube, dass das ganz gut funktioniert. Dabei wird viel Wert auf die qualitativen, schnellen Einheiten wie Tempodauerlauf, Intervalltraining im Flachen und Intervalltraining am Berg gelegt. Die langen Ausdauereinheiten habe ich aber auch viel mit alternativem Training und Crosstraining ersetzt. Longruns stehen natürlich trotzdem auf dem Plan, aber ich minimiere ein wenig das Risiko an Überlastungsverletzungen, indem ich einfach nicht jede Ausdauereinheit laufend mache. Dann wollte ich gerne beim Trans Gran Canaria über die 84 km starten, doch leider bin ich beim Aufwärmen umgeknickt. Normalerweise passiert das bei mir nie – durch knapp 14 Jahre Ballett bin ich sehr beweglich – aber an den beiden Tagen zuvor bin ich auch schon umgeknickt und hatte deshalb starke Schmerzen.

 

Bist du dennoch gestartet?

Nein, ich habe mich entschieden, nicht die ganze Saison zu riskieren, sondern vernünftig zu sein und nicht zu starten. Rückblickend war das auch genau das Richtige, auch wenn die Enttäuschung erstmal groß war. Ich habe mich eine Woche in die Hände meiner Physios und medizinischen Hilfen in Innsbruck und Hannover begeben und auf das Laufen verzichtet. Dafür war ich viel auf dem Indoorbike und auch mal Aquajoggen. Kurz bevor es dann nach Chile ging, hatte ich das medizinische Go wieder laufen zu dürfen und war zum Glück schmerzfrei. Allerdings bin ich bis zum Rennen erstmal nur flach gelaufen und nicht auf den Trails, damit ich nicht nochmal umknicke. Zum Glück hat alles super geklappt und ich merke gar nichts mehr von der Verletzung.

Im Juni steht die WM in Innsbruck auf dem Plan. Du lebst mittlerweile dort und kennst die Trails in- und auswendig. Welche Bedeutung hat die WM für dich und für das Traillaufen allgemein?

Die WM in Innsbruck in meiner Wahlheimat und auf meinen Hometrails zu Gast zu haben ist wirklich toll. Letztes Jahr habe ich dort die 110 km beim IATF gewonnen und bin damit meinen ersten Ultra gelaufen. Dieses Jahr würde ich so gerne beim Longtrail, also den 86 km starten. Das wäre mein großer Wunsch und ich denke, ich habe im letzten Jahr mit dem Sieg bei der UTMB World Series in Nizza auf der Langstrecke, dem dritten Sieg in Folge beim Transalpine Run und noch anderen erfolgreichen Rennen, wie im Pitztal, in Innsbruck oder der Schweiz, auch gut dafür empfohlen. Nun heißt es aber, die Nominierung abzuwarten und zu sehen, ob sich mein Wunsch erfüllt. Es ist einfach toll, wenn die Welt-Elite nach Innsbruck kommt und die Strecken sind wirklich super. Sie haben recht viele Höhenmeter, sind aber nicht technisch, das gefällt mir sehr gut. Ich bin gespannt. Das wird ein riesen Event.

Wie gehst du mit dem Druck um, als Favoritin in die Rennen zu gehen?

Ich liebe Rennen, denn ich liebe es, so schnell zu laufen wie es geht, über meine Grenzen zu gehen und mich zu messen. Ich bin mir meiner Stärken bewusst und mache das Laufen aus Leidenschaft, deshalb versuche ich vor allem Spaß zu haben, zu kämpfen und alles zu geben. Aber natürlich stehe ich jetzt nicht mehr als „der Newstar“ an der Startlinie, sondern spüre den Druck und die Erwartungshaltung von außen. Einerseits ist das toll, denn das habe ich mir erarbeitet, andererseits muss man aufpassen, dass man das nicht zu viel an sich heran lässt. Auch Social Media spielt da eine große Rolle. Die Tage vor den Rennen ziehe ich mich gerne zurück, bin voll fokussiert und rede am liebsten nur mit meiner Familie und meinem Freund über das anstehende Rennen. Die kennen mich gut und wissen, wie man dann mit mir umzugehen hat.

 

Was machst du gerne als Ausgleich zum laufen?

Mein Ausgleich ist meine Familie, mein Freund und die Architektur. Wenn es die Zeit erlaubt, schaue ich meinen Geschwistern bei ihren Turnieren und Wettkämpfen zu oder unternehme etwas mit meinem Freund. Aber ehrlich gesagt bin ich ziemlich gut eingespannt. Wenn ich nicht trainiere, dann mache ich meinen Master in Architektur und liebe es, Pläne zu zeichnen und Entwürfe zu machen. Ich mag es, dass beides eigentlich so unterschiedlich ist und mich das eine vom anderen “ablenkt”. Egal wo ich hinlaufe, ich suche mir immer die schönsten Plätze oder Almhütten aus und zeichne in meinem Kopf Pläne, während ich laufe. Das klingt ein wenig verrückt, aber ich liebe einfach beides.

 

Du hast auf der Bahn angefangen, wie bist du zum Traillaufen gekommen?

Mehr oder weniger durch Zufall. Ich kam über den Schulsport zum Bahn- und Straßenlauf und bin dann mit 15 Jahren nach Hannover ins Internat am Olympiastützpunkt gezogen. Allerdings hatte ich dort in meinen Abiturjahren sehr viele Verletzungs- und Krankheitsprobleme. Als ich nach dem Abitur dann eigentlich aufhören wollte mit Laufen als Leistungssport, bin ich einen Berglauf mitgelaufen. Das war nur aus Spaß, denn bis dahin bin ich im Training nie Höhenmeter gelaufen. Dort habe ich gewonnen und danach wurde ich für eine Gast-Etappe zum Transalpine Run im Herbst 2017 eingeladen. Weil meine zugeteilte Partnerin aber verletzungsbedingt ausfiel, ist damals Philipp Reiter spontan eingesprungen und hat mich begleitet. Als ich ins Ziel kam war es um mich geschehen, denn ich wusste, genau das will ich ab jetzt machen. Die Herausforderung ist einfach eine ganz andere, das Laufen durch die Berge ist viel abwechslungsreicher und vielseitiger. Mein erstes richtiges Rennen war dann im Sommer 2018 der Mararhon beim Zugspitz Ultratrail. Dort habe ich gewonnen und danach durfte ich dann schon das erste Mal internationale Luft schnuppern und bin in der Golden Trail World Series gestartet. Rückblickend ein paar lustige Zufälle, aber ich glaube, es sollte alles genauso kommen.

 

Deine Distanzen werden immer länger, wie steigerst du dein Training?

Letztes Jahr war mein erstes Jahr auf den Ultras, aber ich habe eigentlich gar nicht so viele Jahreskilometer gemacht. Ich habe viel Wert auf die Regeneration gelegt und nach jedem Rennen einzeln geschaut, wie lange der Köper braucht um sich zu erholen. Das war glaube ich mein Schlüssel zum Erfolg, denn ich hatte keine Verletzungsprobleme. Dieses Jahr will ich darauf aufbauen und sehen, was künftig alles geht, wenn auch das Kilometerpensum deutlich gesteigert wird. Aber alles mit der Ruhe, denn ich bin ja noch recht jung auf den Ultras. Erstmal steigere ich jetzt die Trainings- und Belastungsstunden mit Crosstraining (alternativen Sportarten als Addition zum Lauftraining) und dann kann ich das im Jahr darauf wiederum durch Laufstunden steigern. Das ist so grob der Plan, mal schauen ob er aufgeht. Die langen Strecken lagen mit schon immer sehr und machen mir auch am meisten Spaß.

Was sind deine Ziele für dieses Jahr?

Ich würde super gerne bei der WM an der Startlinie des Longtrails stehen und mein Bestes geben. Ich habe letztes Jahr beim K110 in Innsbruck gemerkt, wie sehr einen die Unterstützung „Zuhause“ pushen kann und ich kenne die Strecken. Zudem denke ich, dass wir auch im Frauen-Team wirklich gut abschneiden und vielleicht um eine Medaille mitlaufen könnten. Dann kommt natürlich noch der CCC Anfang September in Chamonix. Das sollten dieses Jahr meine beiden Höhepunkte sein. Abgesehen davon habe ich ein persönliches Projekt im Sommer, da kann ich aber leider noch nicht allzu viel verraten.

 

 

Was ist dein Lieblingsrennen und wieso?

Das ist definitiv der Transalpine Run. Da bin ich 2017 über eine Guest Etappe zum TrailRunning gekommen, habe 2018 den Run2 gewonnen und seit dem jede einzelne Etappe und dreimal in Folge (2019,2021,2022) den ganzen TAR gewinnen können. Das ist definitiv mein Rennen. Ich liebe das Format von Etappenläufen und die Bubble in der man sich währenddessen gemeinsam mit allen anderen Läufern befindet. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist etwas besonderes im Einzelsport und in meinen Augen lebt der TAR den Trailrunning Spirit, den ich so sehr liebe.

Liebe Ida, herzlichen Dank für die Zeit und das tolle Interview.

Für die kommende Saison und natürlich die Weltmeisterschaft, wünschen wir dir das Team von Trailrunning24, nur das Beste.

Quellenangaben und Querverweise:

Instant Trailnews?

Abonniere den trailrunning24 Newsletter:

Instant Trailnews?

Abonniere den trailrunning24 Newsletter:

News, Events und Reports aus der Welt des Trailrunning direkt in deine Inbox.