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Hoch runter hoch runter – das Achterbahn-Jahr des Hannes Namberger

Das Jahr des Hannes Namberger lässt sich für Außenstehende wohl am besten mit dem Wort “Achterbahnfahrt” beschreiben. Erst der Sieg beim Penyagolosa-Trail in Spanien, die Titelverteidigung samt Streckenrekord beim Lavaredo Ultra-Trail, Doppel-Sieg mit Dmitry Mityaev beim Ultra-Trail Capetown, Hochzeit mit Freundin Ida, bitterer DNF beim UTMB und doch kein Start bei den Worldchampionships in Thailand. Im Interview erzählt der Ruhpoldinger, wie er selbst dieses außergewöhnliche Jahr erlebt hat.

Hannes, Freud und Leid lagen bei dir in diesem Jahr nah beisammen. Wie ist rückblickend dein Fazit von 2022?
Es hatte viele Höhen und genauso viele Tiefen. Vieles hat gut funktioniert, aber ich hatte körperlich einige Rückschläge zu verkraften. Meist hat es auf den letzten Drücker aber gerade noch so geklappt, dass ich bei den geplanten Rennen starten und die meisten auch erfolgreich absolvieren konnte.

 

Wie hast du es geschafft, dass du mental und körperlich am Ende an den Start gehen konntest?
Das frage ich mich im Nachhinein immer. (lacht) Einige Wochen vor dem Lavaredo Ultra Trail Ende Juni hatte ich Corona. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich es schaffen soll, überhaupt wieder zu trainieren – Ich lag zwei Wochen komplett flach. Schlussendlich hat es ganz gut funktioniert und auf den Punkt hatte ich wieder eine gute Form. Ähnlich war es Ende November in Kapstadt. Eine Woche vorher hat mein Körper richtig geschmerzt und ich dachte mir: Das wird nix! Durch positive Gedanken und den Glauben, dass ich das schaffen kann, hat es doch noch geklappt.

 

Beim Lavaredo Ultra Trail bist du als Titelverteidiger an den Start gegangen. Setzt dich sowas mehr unter Druck?
Das Feld war viel besser als im Jahr davor, natürlich war der Druck größer – vor allem der Selbstauferlegte. Eigentlich habe ich nur verlieren können, aber das hat den Reiz ausgemacht. Ich wusste aus dem Vorjahr, was ich dort zu machen habe, das war ein großer Vorteil. Ich habe einfach einen guten Tag erwischt.

Beim UTMB im August kam dann für dich der Rückschlag – DNF. Es war dein erster.
Der war relativ deutlich. Mich hat es derart geschmissen, dabei habe ich mir meinen Zeh so verletzt, dass ich nicht mehr sauber laufen konnte. Ich habe es eineinhalb Stunden probiert und es wurde nicht besser – eher im Gegenteil. Oft kann ich den Schmerz einfach weglaufen. Ich konnte dann nur noch humpeln, dadurch wurde mir die Entscheidung abgenommen. Wenn der Körper nicht mitspielt, muss man die Konsequenzen ziehen und dann ist es auch okay. Es ist besser, als wenn du an dem Tag keine Leistung bringst und schwach bist.

Wie waren die Stunden und Tage danach?
Die waren richtig scheiße. Ich habe ewig darauf trainiert und es hätte an dem Tag viel funktionieren können – aber es war einfach nicht so. Das habe ich noch nie gehabt, dass etwas nicht passt. Das Glück war einfach nicht auf meiner Seite. Das war eine neue Erfahrung für mich.

Irgendwann ist immer das erste Mal. Kannst du aus dieser Erfahrung auch etwas für die Zukunft mitnehmen?
Natürlich, jetzt habe ich ein DNF, das ist Neuland. (lacht) Es war ja nicht unbedingt ein richtig großer Fehler, der mir passiert ist. Deswegen bin ich mit mir im Reinen und es spornt mich an, es nächstes Jahr wieder zu probieren. Der UTMB hat seine eigenen Gesetze. Von 50 Männern im Elitefeld kommen maximal zehn ins Ziel – da herrscht großes Elite-Sterben auf der Strecke. 2021 hat es gut funktioniert und dieses Jahr habe ich halt einfach Pech gehabt.

Der Achterbahn-Waggon ging in Kapstadt dann wieder nach oben. Dort bist du nach 100 Kilometern und 5400 Höhenmetern nach 10:45 Stunden mit Dmitry Mityaev Hand in Hand über die Ziellinie gelaufen. War es Teamwork vom Anfang bis zum Schluss?
Ich habe lang geführt, Dima war mir immer im Nacken – sein Rückstand betrug maximal zwei Minuten, ich habe ihn also immer gesehen. Bei Kilometer 42 hatte ich einen schlechten Moment, wo ich mir ausgerechnet den UTMB-Zeh angehauen habe. Ich habe lange gebraucht, bis ich den Schmerz weglaufen konnte. Das hat mich viel Zeit gekostet, Dima hat mich in dieser Phase überholt. Als ich wieder zurück im Laufen war, konnte ich die Lücke schließen. Ab Kilometer 50 sind wir erst gegeneinander gelaufen, jeder wollte vom anderen weg. Er war Uphill besser, ich im Downhill.

Wann habt ihr beschlossen, das Rennen gemeinsam zu Ende zu laufen?
20 Kilometer vor dem Ziel sind wir dann miteinander gelaufen, auch deshalb, weil die Verfolger immer näher gekommen sind. Wir haben uns gedacht: Wenn wir uns jetzt noch das Rennen versauen, weil wir uns gegenseitig bekämpfen, dann sind wir am Schluss die Deppen. Also haben wir beschlossen, die anderen auf Abstand zu halten. Wir beide waren müde und erledigt – da teilt man sowas ganz gerne.

Ist es schöner, sich den Sieg nach so einer langen Distanz zu teilen?
Eigentlich bin ich kein Fan davon, sowas zu teilen. Man soll schon bis zum Ende kämpfen. In Kapstadt haben wir davor aber schon zu lange gekämpft, deswegen war es für mich in Ordnung. Mit Dimitry verbindet mich eine Freundschaft, wir kennen uns sehr lange. Er hatte schon immer eine Art Vorbildfunktion für mich. So ein Erlebnis zu teilen war es auf jeden Fall wert. Ich habe eine Erinnerung fürs Leben.

Du bist schon an allen Ecken der Welt gelaufen – Wo hat es dir bislang am Besten gefallen?
Besonders ist der Transvulcania auf La Palma. Wenn du Glück hast, läufst du über den Wolken, wenn du Pech hast, schneit es oben. Kapstadt war aber bislang der schönste Lauf, dort sind Berge und Strand vereint, das ist wunderschön. Madeira hat mir aber auch sehr gut gefallen, da überquerst du an einem Tag fast die ganze Insel. Der bergige Bereich hat mich an Avatar erinnert, weil es so surreal aussieht. Da würde man am liebsten stehen bleiben und die Landschaft genießen, aber dafür habe ich leider keine Zeit. (lacht)

Du warst früher professioneller Skifahrer. Was teilen die Skifahrer und die Trailrunner? Und wo liegen die Unterschiede?
Die Belastungszeit ist natürlich komplett anders. Früher waren es 60 Sekunden, heute sind es zehn Stunden aufwärts. Früher war die Ausdauer nicht das Wichtigste, sondern Schnellkraft und Koordination. Gerade die Koordination hat mir für das Trailrunning vieles mitgegeben. Das Bergablaufen ist sehr ähnlich zum Skifahren, weil man koordinativ stark sein muss. Speziell im schwierigen Gelände kann man das auf den Trail übertragen.
Ich habe mein ganzes Leben lang Wettkämpfe bestritten, ich weiß, was ich zu tun habe, wie ich mich konzentrieren muss. Angst habe ich dabei nie, eher Vorfreude und Nervosität. Das hat mir der Skisport definitiv mitgegeben.

Nervosität ist doch auch etwas Gutes, oder? Sonst würde man sicher irgendwann abstumpfen.
Genau, dann geht der Reiz verloren. Das Gefühl macht aber auch süchtig, dass man immer wieder diese Rennen macht. Das Gefühl im Ziel – egal ob du gewinnst oder nur ankommen möchtest – ist für jeden gleich und das sind Momente, die man nicht so schnell vergisst.

Hättest du als Skifahrer jemals gedacht, so weite Distanzen zu laufen?
Früher konnte ich nicht mal richtig laufen, weil die Oberschenkel vom Skifahren zu dick waren. Als ich damals gehört habe, dass Leute 100 Kilometer laufen dachte ich mir: Wie blöd kann man eigentlich sein?. Nach ein paar Jahren laufe ich sie jetzt selber. (lacht) Über 100 Kilometer zu laufen ist verdammt weit. Wenn man das aber unbedingt möchte und keine körperlichen Probleme hat, dann ist der Mensch in der Lage, diese Distanzen zu meistern. Wenn der Kopf mitspielt, kann der Körper alles schaffen.

Was rätst du anderen Läuferinnen und Läufern, die peu à peu weiterkommen wollen?
Man muss nicht immer sofort Distanzen steigern. In der heutigen Zeit und Gesellschaft ist man gefährdet zu schauen, was die anderen machen, wie weit und schnell sie laufen. Das muss man nicht sofort nachmachen oder kopieren. Man sollte einen richtigen Weg für sich selbst finden und sich ganz langsam herantasten. Sich zu denken: “Ab nächster Woche trainiere ich wie ein Gestörter” wird nicht funktionieren. Wichtig ist, Schritt für Schritt auf seinen Körper zu hören und die Distanzen und die Intensität zu steigern. Vor allem muss man mit ganz ganz viel Gefühl arbeiten. Man sollte auch nicht ständig auf die Uhr gucken, welche Werte sie einem anzeigt, sondern auf sein Körper-, Bauchgefühl und Instinkt hören. Natürlich sollte man den Spaß an der Bewegung und der Natur nicht verlieren.

Die obligatorische Frage zum Schluss: Was sind deine Pläne für 2023?
Ich möchte nächstes Jahr ein besserer Läufer werden, die Fähigkeiten die ich habe ausbauen und die Schwächen beseitigen. Geheiratet habe ich schon – der nächste Schritt ist, hoffentlich bald eine Familie zu gründen. Ich möchte einfach weiter Spaß am Sport haben, zufrieden mit mir sein und eine gute Balance mit Bewegung und Familie finden.


  Lieber Hannes, herzlichen Dank für deine Zeit und nur das Beste für das Jahr 2023

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