Beginnen wir mit einer Frage, was haben Florian Neuschwander, Hannes Namberger und Jim Walmsley gemeinsam? Genau, alle drei sind erfolgreiche (Ultra)-Läufer. Interessant dabei ist, dass man die drei genannten Herren auf den sozialen Plattformen auch mal auf dem Rad sieht. Dabei scheinen die Gründe unterschiedlich, diese reichen vom Muskulaturaufbau nach einer Verletzung bis hin zum Training des Herz-Kreislauf-Systems. Jetzt sind die meisten von uns wohl sportlich nicht auf dem Level der drei genannten Herren, aber gerade deshalb möchte ich in den nächsten Zeilen beschreiben, warum auch für Läufer aller Leistungsklassen ein Rollentraining sinnvoll sein kann.
Wie funktionierts?
Grundsätzlich benötigst du ein Fahrrad und einen Rollentrainer. Die Kombination kann dabei unterschiedlich aussehen, grundsätzlich gilt es aus Folgendem auszuwählen:
- Rolle: Basic-Trainer (Das Hinterrad wird eingespannt) oder einen interaktiven Trainer (Der Antriebsstrang wird direkt an der Rolle montiert, Steuerung über Watt möglich). Entscheide dich dementsprechend, was du ausgeben möchtest. Ein Training ist mit beiden möglich.
- Rad: Ich empfehle zuerst die eigene Garage bzw. den Keller zu besuchen, um herauszufinden, welche Räder bereits genutzt werden können. Sollte eine Neuanschaffung unumgänglich sein, denke bitte daran wie du das Rad im Sommer nutzten möchtest, ob Straße (Rennrad), Schotter (Gravel) oder in den Bergen (Mountainbike).
Ich persönlich trainiere auf beiden Rollen, wie das aussieht kannst du den nachfolgenden Bildern
entnehmen.
Jetzt gibt es neben Rolle und Rad noch ein paar Kleinigkeiten zu beachten
Da der Schweißverlust indoor recht hoch ist, denke an ausreichendes Trinken und Matten sowie Handtücher, um eben diesen Schweiß aufzufangen. Ein Ventilator kann dir zusätzlich dabei helfen, mit dem Training besser zurecht zu kommen. Nutzt du die Basic-Variante lohnt es sich, einen speziellen Mantel für die Rolle zu kaufen. Durch den Reibungswiderstand ist der Verschleiß recht hoch. Ist dir das Training zu öde, nutze Musik, Filme oder interaktive Software (wie z.B. Zwift oder Rouvy) um dich zu motivieren. Das Fahren auf der Rolle kann sehr monoton werden.
Welche Ziele kannst du erreichen?
Schön und gut, jetzt steht im Keller ein Rad auf einer Rolle – jetzt stellt sich die Frage: „Was nun?“.
Die Rolle kann zu unterschiedlichsten Zwecken, je nach Zielsetzung verwendet werden. Ich habe
nachfolgend vier Aspekte herausgepickt, die dich als Läufer im Training unterstützen können.
- Erhöhung des Trainingsumfangs im Grundlagen-Bereich: Da unser Laufsport sehr fordernd für unsren Körper ist, können Einheiten auf der Rolle dabei helfen das Herz-Kreislauf-System sowie die Muskeln in den unteren Extremitäten stoßärmer zu trainieren. Gerade für längere Belastungen im Grundlagenbereich ist das Rad perfekt geeignet. Wird z.B. im Winter weniger draußen gelaufen, hilft das Rollentraining dabei den verminderten Lauf-Umfang zu kompensieren oder weitergedacht, die gesamte Belastung gelenkschonender zu erhöhen.
- Transfer von Lauf-Intervallen auf die Rolle: Grundsätzlich können viele Trainingsreize vom Lauftraining auf die Rolle übertragen werden, natürlich werden die Muskelgruppen ähnlich aber nicht zu 100% gleich angesprochen. Mein Tipp: Nimm deine Lieblingseinheiten aus dem Lauftraining und bilde diese anhand der unten aufgeführten Zonen nach. Du kannst sogar die Belastungszeiten innerhalb der Intervalle etwas erhöhen. Da die Distanzen wenig Aussagekraft beim Rollentraining haben, fokussiere dich lieber auf die Belastungszeit anstatt auf die zurückgelegte Distanz.
- Verbesserung der VO2Max: Achtung: Dieser Wert wird im allgemeinen Kontext leider teilweise missverstanden, je nach Laufdistanz spielt der Wert eine unterschiedliche Rolle. Wer von uns auf den kürzeren Distanzen unterwegs ist, sollte sich jedoch mit dieser Art Training auseinandersetzten. Grundsätzlich gilt, eine Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) hilft dabei, höhere Intensitäten länger abzuleisten. (Die theoretische Berechnung erfolgt durch Multiplikation von Herz-Minuten-Volumen mal Schlagvolumen.) Die Einheit kann nach einem 10 bis 15-minütigen Warmup so aussehen: o 3 Serien á 10 x (30sec. in Zone 5 &30sec. Pause in Zone 1) o 5x5 Minuten am unteren Ende von Zone 5, mit Pause von 3-5 Minuten in Zone 1
- Schulung der Motorik: Da ich die Kenntnis über den eigenen Körper als wichtiges Gut ansehe macht es Sinn, das Gefühl bezüglich der Trittfrequenz zu schulen. Dies hilft uns Läufer auch bei unsrer Hauptsportart, den bei der Fortbewegung in den Laufschuhen gilt dies ebenfalls als wichtiger Parameter. Baue in deine Grundlageneinheiten z.B. 10x1 Minute ein, in der du mit einer hohen Frequenz (ca. 100-120) oder einer niedrigen (ca.50-60) fährst, der Widerstand darf dabei gleichbleiben. Absolvierst du die ersten Einheiten auf der Rolle, versuche in einem Bereich von 80-90 Umdrehungen pro Minute zu bleiben, die jeweilig „perfekte“ Frequenz ist jedoch immer typabhängig.
- Kompensation der Verluste von Fitness und Form bei Verletzungen: Wer kennt es nicht, du hast dich verletzt aber keine Lust nur auf der Couch zu verweilen. Nach Rücksprache mit deinem Arzt kann lockeres Training dabei helfen, um deine Fitness beizubehalten. Als Voraussetzung sehe ich jedoch immer, dass du dies komplett schmerzfrei absolvieren kannst. Hier kann auch ein professionelle BikeFitting sowie passendes Rad-Equipment helfen. Halte dabei anfangs die Intensitäten und den Umfang niedrig und steigere beides nur, wenn es deinem Körper guttut.
Da ich bereits Begriffe wie „Watt“, „Zonen“ und Trittfrequenz verwendet habe, erkläre ich nachstehend, was du grundlegend dazu wissen musst. Diese Parameter sind wichtig, um dein Training effektiv zu steuern.
Wie erfolgt die Trainingssteuerung?
Die einfachste Art und Weise das Training aufzubauen ist mit einem FTP-Test (Functional-Threshold- Power) zu beginnen, dafür benötigst du ein Set-Up mit Leistungsaufzeichnung (Watt). Hier ermittelst du deine Schwelle, in welchem die Bildung und der Abbau von Laktat im Gleichgewicht gehalten werden kann. Der Test ist hier nur als Näherung zu sehen und ist aufgrund der Einfachheit sehr beliebt. Interessierst du dich für genaue Werte, führt kein Weg an einer professionellen Laktatmessung im Sportlabor vorbei.
Die Watt bilden die physikalische Messgröße der aufgebrachten Leistung ab. Deine Rolle oder auch
der Wattmesser arbeiten grundlegend mit der nachfolgenden Formel. Die Kraft bringen dabei deine
Muskeln auf, die Wegstrecke ist per Kurbellänge definiert und bleibt daher konstant. Die Zeit wird
automatisch aufgenommen und dir somit der Wert berechnet.
Dies kann entweder als 20-Minuten-Test, Stufen-Test oder direkt innerhalb der interaktiven Software
durchgeführt werden. Danach berechnest du deine Leistungs-Zonen und weißt, welches Training in
welchem Leistungsbereich auszuführen ist. Die Zonen gliedern sich wie folgt:
Ich vermute, ähnlich zu den meisten Läufern besitzt auch du eine GPS-Uhr mit eingebautem oder externen (z.B. Brustgurt) Herzfrequenz-Messer. Ähnlich zum Laufen stellt auch dieser Messwert eine wichtige Größe dar. Viele kennen die HF-Bereiche vom Laufen, diese lassen sich mit einer kleinen Einschränkung auf das Radfahren übertragen. Aus persönlicher Erfahrung ist die Herzfrequenz beim Radfahren auf der Rolle etwas niedriger als beim Laufen, versuche also nicht zwanghaft gewisse HF- Bereiche zu erreichen und höre auf dein Körpergefühl.
Tipp: Hast du keine Möglichkeit dein Rollentraining mit einem Wattmesser zu absolvieren nutze die Herzfrequenzmessung, diese kann dir ebenfalls eine hervorragende Orientierung bieten in welchem Bereich du dich gerade aufhältst.
Trittfrequenz
Die Trittfrequenz gibt dir an, wie viele Kurbelumdrehungen du pro Minute leistet. Der Wert wird häufig als rpm (Rotations-per-minute) angegeben. Der zugehörige Frequenz-Messer ist häufig in den Wattmessern oder auch in den meisten Smart-Trainern eingebaut und kann per Bluetooth z.B. auf deiner Uhr angezeigt werden. Alternativ kannst du diesen auch getrennt erwerben und an deiner Kurbel montieren.
Jetzt bist du bereit und hast ein Grundwissen für das Rollentraining als Läufer erhalten, lass mich als
Fazit noch kurz auf die Vor- und Nachteile zu sprechen kommen.
Vorteile
- Perfekte Ergänzung zum Lauftraining, welches unabhängig von Tageszeit als auch Wetter durchgeführt werden kann
- Schonende Art der Belastung, um den Laufapparat nicht weiter zu stressen
- Training in (verkehrs-)sicherer Umgebung
- Einheiten können aus dem Laufsport gut adaptiert und (Wattgenau) gesteuert werden
Nachteile
- Hohe Anschaffungskosten für Equipment, geeignete Räumlichkeit notwendig
- Monotone Art der Belastung, die teilweise eine große Motivation erfordert
- Je nach Modell kann es zu einer Lärmbelästigung kommen
- Auseinandersetzung mit der Trainingssteuerung und -planung erforderlich
Mein persönliches Fazit
Ich habe eine Hassliebe zur Rolle. Das Training lässt sich super steuern und ist aufgrund der guten Steuerung ein sehr effizientes bzw. effektives Vergnügen. Ich kann jedem Läufer nur raten, dies auszuprobieren und der Sache eine Chance zu geben. Um das größte Problem, namentlich der Motivation, unter die Arme zu greifen hat sich die Industrie einiges einfallen lassen. Das heißt, rein in den Sattel, Kette rechts und viel Spaß!
Quellenangaben und Querverweise:
- Fotos: Tim Freitag