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Die deutsche Ultraläuferin Paulina Zäck hat einen neuen Maßstab gesetzt und den Frauen-Gesamt-FKT auf Neuseelands anspruchsvollem Te Araroa Trail erobert. Die 3.054 Kilometer lange Strecke, die sich über beide Inseln erstreckt und 43.200 Höhenmeter umfasst, bewältigte sie in beeindruckenden 54 Tagen, 9 Stunden und 48 Minuten. Dabei agierte Paulina im Self-Supported-Modus, trug also ihre gesamte Ausrüstung selbst. Sie unterbot den bisherigen Rekord von Brooke Thomas deutlich.

Paulina startete Anfang Februar in nördlicher Richtung, um dem wechselhaften Wetter der Südinsel zu entgehen. Trotz der vielfältigen und herausfordernden Beschaffenheit des Trails, von dichten Pfaden bis zu Bergüberquerungen, legte sie täglich durchschnittlich 56 Kilometer zurück. Ihre bisherige Erfahrung mit Langstreckenwanderungen, darunter eine vorherige Begehung des Te Araroa und des Appalachian Trails, half ihr dabei.

Wir durften Paulina interviewen und spannende Einblicke in ihr großes Abenteuer bekommen.

Was hat dich dazu inspiriert, den Te Araroa Trail in Angriff zu nehmen und speziell den FKT zu versuchen?

Den Te Araroa bin ich tatsächlich zum zweiten Mal gelaufen. Und beide Male muss ich sagen war einer der Gründe ganz pragmatisch das zeitliche Timing, weil es einfach einer der wenigen langen Trails ist, den man in unserem Winter gut gehen kann, weil in Neuseeland zu der Zeit Sommer ist. Den Trail nun das zweite Mal anzugehen war natürlich trotzdem eine ganz bewusste Entscheidung, weil mich das Land und die Menschen vor Ort, der Trail und die Vielseitigkeit der Landschaft einfach so beeindruckt haben. Damals, als ich vor 5 Jahren das erste Mal auf dem Trail war, bin ich Lucy Clark begegnet, die einen supported FKT aufgestellt hat. Seitdem habe ich die FKT-Szene verfolgt, in der man auf wahnsinnig inspirierende Menschen stößt, und so ist nach und nach die Idee gewachsen selber mal einen attempt zu starten.

Wie hast du dich auf diese immense Herausforderung körperlich und mental vorbereitet?

Ehrlich gesagt, gar nicht so richtig, und ich weiß auch gar nicht inwieweit man sich auf so eine lange Dauerbelastung vorbereiten kann. Also es ist nicht so, als hätte ich mir einen Trainingsplan gemacht oder sowas. Ich glaube am meisten geholfen hat mir, dass ich schon zweimal derart lange Trails, zwar in „normalem“ Tempo, gewandert bin. Aber natürlich habe ich vor allem in den Monaten davor auch mein Laufpensum erhöht. Ich habe die ein oder andere Wanderung bei mir in der Umgebung unternommen, war mehrmals die Woche joggen und habe mich kurzerhand für einen Ultramarathon angemeldet, ohne jemals vorher einen normalen Marathon gelaufen zu haben. Kurz gesagt, ich hab mich zu Beginn des Trails körperlich einfach sehr fit gefühlt. Mindestens genauso wichtig war es aber, dass ich mental vorbereitet bin, auf das, was auf mich zukommt. Eine Fernwanderung und vor allem in Kombination mit einem FKT-Versuch bedeutet viel Einsamkeit und Durchhaltevermögen (abseits von körperlichen Kräften). Ich hatte das Gefühl, dass ich in einem sehr guten headspace bin und dass mich nichts und niemand vom Trail runterholen kann. Das halte ich fast für die größere Herausforderung. An die physischen Strapazen hat sich mein Körper mehr und mehr gewöhnt.

Wie hast du deine Ausrüstung für den Self-Supported-Modus ausgewählt und was waren deine wichtigsten Ausrüstungsgegenstände? Wie schwer war dein Rucksack?

Die Zusammenstellung meiner Ausrüstung ist ehrlich gesagt das Ergebnis mittlerweile jahrelanger Erfahrung im Fernwandern. Meinen ersten Trail bin ich absolut blauäugig angegangen, da hab ich vorher nichts getestet und teilweise ganz billige Sachen im Internet bestellt. Man lernt über die Jahre dazu und diesmal war es mir natürlich besonders wichtig möglich leichtes Gepäck zu haben. Also hab ich mich zum Beispiel für ein Tarp, statt Zelt, entschieden. Ein Quilt, statt Schlafsack und solche Kleinigkeiten. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich mit wirklich wenig auskomme. Ich hatte eine base weight von 5kg. Dazu kommen nur Wasser und Verpflegung. Es hilft auch sehr, dass ich selber im Outdoor-Einzelhandel arbeite. So sitze ich natürlich direkt an der Quelle. Und ich bin echt zu 99% zufrieden mit dem, was ich dabei hatte. Ich hätte kaum etwas anders gemacht und vor allem bin ich auch mega positiv überrascht, dass all meine Ausrüstung, außer Schuhe und Socken, unbeschadet wieder mit zurückgekommen sind und richtig gut gehalten haben. Ich musste nichts austauschen unterwegs oder reparieren. Wenn ich drei Dinge wählen müsste, auf die ich nicht hätte verzichten wollen, mal abgesehen von den ganz offensichtlichen, wären es wahrscheinlich mein Sun Hoodie, meine Calf sleeves und Leukotape.

Wie hast du deine Verpflegung geplant und wie hast du deine Vorräte unterwegs wieder aufgefüllt?

Im Vorhinein habe ich eigentlich fast nichts geplant. Vor jeder Etappe habe ich geguckt, wann die nächste Einkaufsmöglichkeit kommt und mich dann dementsprechend für die entsprechende Anzahl an Tagen versorgt. Das war in der Regal recht spontan und nach Lust und Laune oder aber möglichst gut packbar und leicht, wenn es längere Etappen waren. Mal waren das richtige Supermärkte, aber ganz oft auch nur wirklich kleine Läden, Tankstellen usw. Nur an zwei Orte musste ich mir im Vorhinein sogenannte resupply boxes schicken, weil die Versorgungsmöglichkeiten vor Ort zu schlecht waren. Später auf der Nordinsel bin ich dann auch viel öfter an Ortschaften vorbeigekommen und konnte etwas richtiges essen. Da hab ich dann weniger Riegel, Ramen und Wraps und mehr Pizza, pastries, Burger und sowas gegessen.

Wie hat deine vorherige Erfahrung auf dem Te Araroa und dem Appalachian Trail deine Herangehensweise beeinflusst?

Abgesehen von den Faktoren, die ich eben schon genannt hab, haben mir meine vorigen Erfahrungen glaub ich am meisten in meiner eigenen Selbstsicherheit geholfen. Ich wusste, dass ich dazu in der Lage bin den Trail zu gehen und zu Ende zu gehen. Und vor allem, dass es mir Spaß machen würde. Wenn man das das erste Mal macht sind schon noch viel mehr Unwägbarkeiten und Unsicherheiten vorhanden. Die hatte ich diesmal eigentlich kaum. Außer, dass ich natürlich nicht genau wusste, ob ich das Pensum aufrecht erhalten kann.

Kannst du uns einen typischen Tagesablauf während deines FKT-Versuchs beschreiben?

Mein Tag ist in der Regel so gegen 6 Uhr gestartet, dann habe ich meine Sachen zusammengepackt und bin losgelaufen. Am Anfang hab ich oft noch am Camp gefrühstückt, nachher hab ich das ganz oft auch auf dem Weg im Gehen gemacht, einfach um Zeit zu sparen. Und dann bin ich erstmal stundenlang gelaufen. Es sind natürlich täglich wechselnde Bedingungen, mal muss man morgens direkt einen Fluss überqueren, mal stehen tausende Höhenmeter an, mal muss man sich erstmal durch eine Kuhherde kämpfen. Also sowas ist natürlich jeden Tag anders, aber die kurze und vielleicht auch langweilig klingende Antwort ist, dass ich wirklich einfach den ganzen Tag gegangen bin. Ich hab so gut wie keine Pausen gemacht, nicht mal wirklich zum essen, bis ich mein Ziel für den Tag erreicht hab, das war dann meistens gegen Abend. Je nach Etappe in der Regel so zwischen 19 und 22 Uhr. Beim Wandern hab ich oft Musik gehört. Klar, manchmal kommt man an einem Dorf vorbei, dann wird mal eingekauft oder die elektronischen Geräte aufgeladen. Aber eigentlich war ich immer mindestens 14 Stunden auf den Beinen und bin dann totmüde eingeschlafen und dann ging das Ganze wieder von vorne los.

Mit welchen unerwarteten Herausforderungen oder Schwierigkeiten hattest du während des Laufs zu kämpfen (Wetter, Gelände, Navigation, körperliche Beschwerden)?

Mit dem Wetter hatte ich eigentlich insgesamt echt Glück. Ich hatte nur recht wenige Regentage, an denen ich komplett durchnässt und durchfroren war, aber das war eigentlich auch nicht wirklich unerwartet. Ich denke was den Trail betrifft waren es am meisten die Abschnitte, in denen man sich wirklich durch meterhohes Gras oder Dickicht kämpfen musste, man keinen Trail und keine Marker erkennen konnte, der Boden nass und schlammig war, die meine Geduld am meisten gefordert haben. Und definitiv in der zweiten Hälfte die Straßenabschnitte und der ganze Asphalt, das finden meine Füße gar nicht gut. Ansonsten hatte ich zwischendurch so ein paar kleine Wehwehchen: Nach etwa der Hälfte eine kurze Gastritis, später einen Insektenbiss, der so stark angeschwollen ist, dass er mich ein paar Tage ausgeknockt hat, am Ende Fuß-bzw. Schienbeinschmerzen, unzählige Blasen und solche Sachen. Und gegen Ende auch mentale Durchhänger. Aber alles nicht wirklich in dem Ausmaß, dass es mich aufgehalten hätte oder wirklich einen Abbruch riskiert hätte.

Du hast von Schmerzen im Bein gegen Ende berichtet. Wie bist du damit umgegangen und was hat dich motiviert, weiterzumachen?

Also die Motivation weiterzumachen war ganz klar, dass ich nur noch drei, vier Tage vom Ziel entfernt war. Deswegen war es für mich auch keine Option nochmal eine Pause einzulegen, denn das hätte mich einfach zu viel Zeit gekostet. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Schmerzen von einigen langen Asphaltetappen am Ende kamen und es eine beginnende Knochenhautentzündung war. Für die paar Tage war es okay dann noch durch den Schmerz zu gehen, dafür merk ich jetzt immer noch ganz leichte Auswirkungen. Hoffentlich aber nicht wirklich etwas ernstes.

Gab es Momente, in denen du ans Aufgeben gedacht hast, und was hat dich in diesen Momenten angetrieben?

Nein, gab es nicht. Natürlich gab es schwierige Momente und ich hab auch mehr als einmal richtig laut geflucht und in den Wald geschrien. Aber aufzugeben und den Trail wirklich zu verlassen war nie ein Gedanke.

Gab es besondere Begegnungen mit Menschen oder der Natur, die dir in Erinnerung geblieben sind?

Auf jeden Fall. Viel zu viele, um sie hier aufzuzählen. Das sind ja im Endeffekt auch die Erlebnisse, für die man das alles macht. Oder die den Reiz eines thru-hikes ausmachen. Irgendwelche besonderen Ausblicke, Sonnenuntergänge, Flusswanderungen… aber auch im strömenden Regen oder Sturm zu stehen und die Naturgewalten auf sich einwirken zu lassen. Einige der besten Erlebnisse waren mit Sicherheit auch die Begegnungen mit den Einheimischen oder sogenannten Trail Angels, die mich spontan aufgenommen haben, z.B. als ich den geschwollenen Stich hatte. Oder spontane Umarmungen von Fremden, von denen man nicht wusste, dass man sie brauchte.

Wie hat sich das Gefühl angefühlt, als du das Ziel am Cape Reinga Lighthouse erreicht hast?

Irgendwie surreal. Man wartet ja die ganze Zeit auf diesen Moment und fragt sich, wie es dann wird. Allein die letzten Kilometer und Meter hat sich so viel Spannung aufgebaut. Aber es waren am Ende eigentlich nur positive Gefühle. Es war an dem Tag auch richtig schönes Wetter und ich war so voller Vorfreude und als ich dann da war ist einfach glaub ich ganz viel abgefallen. Es gab auf jeden Fall Freudentränen und einen Jubelschrei und dann war ich einfach nur richtig froh und erleichtert.

Hast du bereits Pläne für zukünftige Langstreckenprojekte oder FKT-Versuche?

Ja. Also richtig konkret noch nicht, aber es gibt auf jeden Fall noch einige Trails auf meiner Liste, die ich irgendwann laufen will, z.B. den PCT, den Kungsleden und noch andere Trails in Europa. Und auch noch viel zu viele FKT’s, die gebrochen oder erstmal erstellt werden wollen. Aber ich glaube in naher Zukunft konzentrier ich mich erstmal auf kleinere Projekte in der näheren Umgebung und dann wird sich zeigen, wann wieder Zeit für ein größeres Projekt ist…

Was würdest du anderen raten, die sich für einen FKT auf einem langen Trail interessieren?

Einfach machen und Selbstvertrauen haben. Ich glaub natürlich schon, dass es hilft, vorher mal einen langen Trail gewandert zu sein und zu wissen, dass man auch so lange am Stück alleine unterwegs sein kann. Und vorher ein paar lange Distanzen reinzukriegen. Aber am Ende ist das richtige Mindset und der Wille die halbe Miete.

Du hast deine Doktorarbeit zum Thema "Long-Distance Hiking. An Anthropological Study on the Social and Cultural Practice of Modern Pilgrimages" gemacht. Gibt es Parallelen zwischen deinen Beobachtungen als Anthropologin und deinen persönlichen Erlebnissen auf dem Trail?

Ja, total, da gibt es definitiv Parallelen. Sowohl in der Forschung als auch auf dem Trail ist es ein Prozess, in den man reinwächst. Am Anfang ist vieles neu, man tastet sich ran, macht Erfahrungen und mit der Zeit versteht man immer besser, worum es eigentlich geht. Sowohl körperlich als auch mental ist das eine riesige Lernkurve. Auch wenn meine aktuelle Tour kein direktes Forschungsvorhaben war und der FKT wirklich kein thru-hike im klassischen Sinne, fließen viele persönliche Erlebnisse und Beobachtungen natürlich mit in meine Perspektive als Anthropologin ein. Man kann das gar nicht so ganz trennen – das eine bereichert das andere.

 

Vielen Dank für das Interview, Paulina und bis bald auf den Trails! 🙂

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