Dieses Mal sollte es wirklich ein Urlaub ohne ein Rennen werden. Eine Woche lang regungslos am Strand liegen und einen Frappé nach dem nächsten Trinken – das war der Plan für die Urlaubswoche auf Lefkada. Es kam, wie so oft, anders. Denn dann sah ich dieses Schild im Bergdorf Eglouvi.
Nach einem ereignisreichen Trailrunning-Sommer und hunderten Kilometern quer durch Europa sollten es sieben möglichst ruhige und ja, langweilige Tage auf der griechischen Insel Lefkada werden. Trailschuhe und Weste hatte ich vorsichtshalber trotzdem in den Koffer gepackt. Für den Fall der Fälle. Zumindest eine kleine Wanderung in den Bergen hatte ich angepeilt, sollte es am Strand dann doch zu langweilig werden.
Nach drei Tagen absolutem Nichtstuns am Strand fuhr ich in das schnuckelige Bergdorf Eglouvi und lief eine 12 Kilometer Runde, die sogenannte „Elati Five Peaks Loop“. Die GPX-Daten hatte ich von der Homepage „Lefkada Trails“, die nach und nach die Insel mit Wanderwegen kennzeichnen und alle Daten kostenlos zur Verfügung stellen.
Zurück im Dorf entdeckte ich ein Plakat des Givoannios Mountain Race, eine Hommage an den Hirten Giovanni aus Eglouvi, der bei den Olympischen Spiele 1896 in Athen außer Konkurrenz den Marathon lief und gewann – so zumindest die Legende. Jedes Jahr im Oktober findet dieser Lauf statt, organisiert von Ehrenamtlichen und mit Läuferinnen und Läufern aus ganz Griechenland.
„Ach schön, sowas gibt’s hier auch“, dachte ich und sah gleich ein weiteres Plakat. Außer „22km, 11km, 5km und 29. September 2024“ verstand ich allerdings kein Wort. (Meine Griechisch-Kenntnisse beschränken sich dann doch eher auf die Frappé Bestellung und das Bitten nach der Rechnung…)
Geholfen wurde mir im Restaurant am Dorfplatz. „Entschuldigung, kannst du mir das bitte mal übersetzen?“ fragte ich die Bedienung. „Yes, the race is this Sunday!“ war ihre Antwort. Keine fünf Minuten später hatte sie mich für die 22 Kilometer angemeldet. Ich bedankte mich, zahlte meinen Cappuccino und fuhr wieder in Richtung Strand. Erst danach merkte ich: Moment, wie viele Höhenmeter sind das eigentlich? Und wann geht der Spaß eigentlich los? Gibt’s irgendwo den GPX-Track? Ich hab nicht mal Verpflegung dabei?
Moment, wie viele Höhenmeter überhaupt?
Ein Tag vor dem Rennen kam vom Veranstalter eine ausführliche E-Mail mit allen Informationen – großen Dank hierbei an die Übersetzungsseite Deepl, das mir alles brav übersetzt hat. 7:30 Uhr Startunterlagen abholen, 9 Uhr Start, 1400 Höhenmeter, fünf Verpflegungsstationen. Ich hatte alle Informationen beisammen.
Deutsch wie ich nun mal bin, war ich natürlich Punkt 7:30 Uhr am Sonntag in Eglouvi. Im Dorf herrschte noch Aufwach-Stimmung, der Startbogen wurde gerade erst aufgepumpt und der Tisch mit der Zeitmessung aufgebaut. Die Startunterlagen-Abholung war so einfach wie noch nie und der einzig nicht-griechische Name schnell auf der Liste gefunden. In der Goodie-Bag fand ich ein Shirt, Tasse, Flasche, Beutel und Snacks.
Der griechische Wettergott meinte es an diesem Tag im Übrigen gut mit uns – anstelle von wolkenlosem Himmel von Sonnenauf- bis Untergang regnete es frühs sogar ein bisschen, danach war der Vormittag von Wolken verhangen. Perfektes Laufwetter, denn ins Schwitzen sollten wir alle sehr schnell kommen.
Nach und nach füllte sich der Dorfplatz mit den Läuferinnen und Läufern. Stress? Schien hier keiner zu haben. Auf den drei Distanzen waren es keine hundert Menschen, jung und alt, Mütter mit ihren Töchtern oder braungebrannte Herren des höheren Semesters mit strammen Wadeln.
Auf den 22 Kilometern starteten ganze 33 Starter, davon sechs Frauen – eine davon war ich. Meine Mitstreiterinnen waren zwar alle auch schon älter, sahen aber so aus, als würden sie nichts anderes tun, als in den Bergen zu laufen. „Wie ist die Route eigentlich markiert?“, fragte ich einen Mann, da ich dann doch kurz Sorge hatte, am Ende orientierungslos in den Bergen zu stehen. „Folge einfach den Rot/Gelben Hinweisen auf den Steinen“, sagte er. Ich könne mich nicht verlaufen. Na dann. Der Startschuss fiel irgendwann nach 9 Uhr und da ich die griechischen Zahlen bislang auch nicht gelernt habe, fiel mir erst bei „3, 2, 1“ auf, dass ich jetzt loslaufen muss. Einen Notfall-Riegel hatte ich im Übrigen noch in meiner Tasche gefunden. Ich verschweige lieber, wie lang der da schon lag.












Schaut euch diese Aussicht an!
Verlaufen konnte ich mich tatsächlich nicht. Die Strecke war äußerst gut markiert, einige Streckenposten standen bei Wegabzweigungen und wiesen mir den Weg. Nach fünf Kilometern ging es durch das ebenfalls sehr schöne Nachbardorf Karya zur ersten Verpflegungsstation, wo händisch die Platzierung der Läuferinnen und Läufer notiert wurde. Wasser, Bananen, Chips – mehr brauchte es da nicht, um weiterzukommen. Nach 10 Kilometern und 700 Höhenmetern wartete das Kloster des Propheten Ilias, der zweithöchste Punkt der Insel auf 1100 Metern mit einer traumhaften Aussicht über ganz Lefkada und den umliegenden Inseln bis rüber zum Festland.
Von dort im Downhill wieder durch Eglouvi, wo mittlerweile einiges los war und die Zuschauerinnen und Zuschauer mir einen ordentlichen Motivations-Push verliehen haben. Auf ging es auf die zweite Runde. Schnell bemerkte ich, dass ich mich auf den gleichen Wegen befand, die ich drei Tage zuvor schon abgelaufen bin. Das bedeutete: Jetzt wird es lange richtig steil und technisch. Nach knapp Dreiviertel der Strecke waren die 1500 Höhenmeter und somit der höchste Punkt der Insel, der Elati Peak, erreicht. Ein Wachposten füllte mir meine Flask auf und ab ging es in den Downhill.
Der, so erinnerte ich mich, weniger technisch und gut laufbar war. Eglouvi war in Sichtweite und die Stimme der Moderatorin aus der Ferne zu hören. Zwei Kilometer vor dem Ziel konnte ich die erste Frau, die mich bei Kilometer6 überholte, wieder einfangen. Das wollte ich mir dann nicht mehr nehmen lassen und lief mit den letzten Körnern in Richtung Ziel. So feierte ich beim Giovannios Mountain Race den ersten (und wohl letzten) Sieg meiner Trailrunning-Karriere und Lefkada hat seit dem 29. September 2024 die erste Deutsche Gewinnerin der Geschichte.
Angefeuert wurde ich das ganze Rennen über von den Volunteers an den VP’s, den Streckenposten, Sanitätern und Zuschauern – anfangs natürlich auf Griechisch und nach dem obligatorischen „Sorry I don’t speak greek“ auf Englisch. Sprachbarriere hin oder her, wenn man den gleichen Sport ausübt, versteht man sich so oder so.
Die Zielverpflegung war dann auch standesgemäß griechisch. Die Linsen, die rund um Eglouvi angebaut werden, gelten als die besten Linsen in Griechenland. So gab es Linseneintopf, Souvlaki, süßes Gebäck und allerlei Getränke. Es war ein Feeling wie bei einer Familienfeier, bei der sich ausnahmsweise alle verstehen. Nach der Siegerehrung, bei der ich einen sehr schönen Pokal, eine Reisetasche, Jogginghose und lokalen Honig bekommen habe, ging es dann wieder zurück zum magischen Dreieck Pool-Strand-Frappé. Efcharisto poli an die Organisatoren für dieses schöne Event!
Die Moral von der Geschicht‘?
Habt immer eure Trailweste, Schuhe und mindestens zwei Riegel dabei. Man weiß ja nie, was passiert…
Wen es kommendes Jahr im September/Oktober nach Lefkada verschlägt: Hier geht es zur Homepage des Giovannios Mountain Race in Eglouvi.