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Über 17 Stunden brauchte Jan von Urbanowicz, den Seilbahnsteig an der Innsbrucker Nordkette knappe neun Mal hoch und auch wieder runter zu laufen, um sein Everesting erfolgreich zu absolvieren. Warum das Ganze und wie es gelaufen ist? Das erzählt er in diesem Projektbericht.

Everesting 2/3 – Let’s go!

Am Samstag, den 10.08.24, gegen 21.30 Uhr starrte ich auf meine Uhr und las die magische Zahl unter „Anstieg“: 8.852 Höhenmeter. Stoppen konnte ich die Aktivität da aber noch nicht, da es nochmal in den finalen Downhill ging, um die Tiefenmeter entsprechend zu komplementieren. Ja, aus irgendeinem Grund habe ich mich dazu entschieden, die Downhills
ebenfalls laufen zu wollen und auf eine Bahn-Unterstützung zu verzichten.

Aber mal von vorne: Wie kommt man überhaupt auf die Idee für so ein Projekt? Wie wir alle, liebe ich unseren Sport und die Möglichkeiten, die er bietet. Die Menschen, die man durch ihn kennenlernt und das Neuland, das man beim Trailrunning regelmäßig betreten kann. Für mich ist der Sport also sehr vielseitig und nicht nur an Wettkämpfe und Events gekoppelt. Keine Frage, ab und zu stehe ich super gerne an der Startlinie und bekomme Gänsehaut, wenn ich an Zieleinläufe denke. Aber noch viel lieber überlege ich mir meine eigenen Challenges. Manchmal werden daraus sehr große Projekte, manchmal sind es nur kleine Ideen, die man zwischendurch in den Trainingsalltag einbaut. Ich glaube es sind die Flexibilität & Freiheit, die es für mich so attraktiv machen, meine eigenen Ideen in den Bergen umzusetzen.

Die Everesting-Challenge, bei der man die Höhenmeter des Mount-Everest (8.848) an einem Stück absolviert, kommt ursprünglich aus dem Radsport und hat sich spätestens seit den Corona-Jahren auch in anderen Ausdauer-Bergsportarten etabliert. Auch in meinem Kopf habe diese spezielle Herausforderung schon einige Jahre einen Platz, v.a. wegen der mentalen Komponente. Sind wir mal ehrlich: X-Mal ein und denselben Anstieg hoch und runter verspricht nicht wahnsinnig viel Abwechslung.

Wobei gerade deswegen der Seilbahnsteig in meiner Wahlheimat Innsbruck in meinen Augen die perfekte Strecke für das Vorhaben war: Auf 3,5 Km kommen gute 1.000 Höhenmeter im Uphill mit bis zu 70% Steigung in einigen Trailabschnitten. Steil? Auf jeden Fall! Das erspart aber auf knappe neun Loops in Summe einiges an Laufkilometer im Vergleich zu flacher angelegten Strecken.

Monatelange Vorbereitung

Der Seilbahnsteig hat hier in Innsbruck Tradition und jeder kennt den Vertical rauf zur Seegrube – spätestens seitdem der K35 beim IATF einen Teil des Seilbahnsteigs als Downhill-Part nutzt. Für mich bedeutete diese Streckenwahl eine spezielle Vorbereitung über Monate hinweg. Zusammen mit meinem Trainer Adrian Niski legte ich mir schon Anfang des Jahres eine Strategie zurecht, mit der es dann im August klappen sollte.

Speziell vor den knapp 9.000 Tiefenmetern im Downhill auf teilweise sehr losem Untergrund und mit hohen Stufen hatte ich ordentlich Respekt. Um das verletzungsfrei zu meistern und gleichzeitig den Kopf mit zu trainieren, gab es schon in der Vorbereitung einige Seilbahnsteig-Loops am Stück. Der Strava Local Legend Status sollte mir also gesichert sein.

Neben der körperlichen Vorbereitung merkte ich vor allem in den zwei Wochen vor dem Projektstart mal wieder, wie viel logistischer Aufwand jedes Mal nötig ist. Verpflegung planen, Support-Crew aufstellen, Timings planen, Genehmigungen einholen, usw. Der angepeilte Tag rückte immer näher und damit wuchs auch meine Nervosität. Es gab einfach unglaublich viele Variablen, die man nicht planen konnte und die einen Ausgang des Projekts unvorhersehbar machten

Dementsprechend froh war ich dann, als ich mich Samstagnacht um kurz nach 03.00 Uhr aufmachte in meine erste Loop. Die ersten paar hundert Höhenmeter brauchte ich kurz, um meinen Rhythmus zu finden. Doch dann lief es richtig gut. Die Nacht war klar, die Temperaturen perfekt, mein Pacing on point. Nach einer knappen Stunde erreichte ich zum ersten Mal an diesem Tag die noch in der Dunkelheit schlummernde Seegrube. Unten funkelten die Lichter der Stadt und das Adrenalin in meinem Körper lies nichts anderes zu, als kurz in mich hinein zu grinsen während ich mein erstes Gel nahm.

Dann wieder voller Fokus für den Downhill. Im tanzenden Licht der Stirnlampe gab es aufgrund des Morgentaus schon den ein oder anderen Ausrutscher, der dafür sorgte, dass meine Herzfrequenz gar nicht so viel niedriger als im Uphill war. Auf der zweiten Sonnenaufgangs-Loop begleitete mich meine Freundin Jessi, die an diesem Tag nicht nur eine Wahnsinns-Crewingleistung ablieferte, sondern ganz nebenbei auch noch ihren eigenen persönlichen Höhenmeter-Rekord einstellte. Sowas motiviert mich während solchen Projekten ungemein.

So zogen die Loops ins Land

Auch Nummer drei und vier liefen noch richtig gut und ich konnte meine Uphill-Pace konstant zwischen 850 & 1.100 Hm/h halten. Ursprünglich hattee ich geplant nach Loop vier eine „längere“ Pause einzulegen, um Socken und Schuhe zu wechseln und mich ordentlich zu verpflegen. Da ich mich trotz der ansteigenden Temperaturen gut fühlte, entschied ich mit meiner Crew, diese Pause erst nach Loop fünf zu legen – zumal ich auch für die fünte Loop nochmal eine Begleitung von einem Buddy hattee. Auch in dieser Loop konnten wir die Pace halten, dieses Mal zahlte ich aber einen Preis dafür.

Mit etwas über 5.000 Höhenmeter in den Beinen wurden die berühmt-berüchtigten Wadelbeißerstufen erstmalig unschön. Außerdem hatte die Sonne mittlerweile gar kein Erbarmen mehr. Mit voller Wucht knallte sie ihre 30 Grad in den Nordketten-Südhang. Die Pause nach Loop fünf war bitter nötig und der Optimismus aus den ersten Loops war ehrlicherweise verflogen.

Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich schon, dass meine Pace hinten raus eingehen wird. Obwohl ich grundsätzlich mit Hitze sehr gut zurechtkomme, wusste ich nicht, ob ich meine Verpflegung bei der Belastung so aufrechterhalten konnte, um den Mineralienverlust auszugleichen. Also war die Strategie von da an: Nicht überpacen, keine Verletzung riskieren und alles an (salziger) Verpflegung rein, was geht. Loop sechs, sieben und acht verliefen dann relativ ähnlich. Zu Beginn waren die Beine wieder locker. Im ersten Steilstück krampten die vorderen Oberschenkel, bis sie sich wieder an die Belastung gewöhnt haben. An den Wadelbeißerstufen machten sie dann erneut dicht,
um sich dann im mittlerweile sehr langsamen Downhill wieder einigermaßen zu entspannen.

Immer wieder spielten mir meine Gedanken kleine Streiche und so war es unglaublich wichtig und schön, Interaktionen am Weg zu haben – egal, ob mit Fremden, die mich entgeistert fragten, was ich hier eigentlich mache oder mit meiner Crew. Als ich für die letzten knapp 600 Höhenmeter in Loop neun bereitstand, brach die Dunkelheit erneut über uns herein. Die Hitze hatte wie erwartet ihren Tribut gefordert und meine geplanten Timings über den Haufen geworfen.

Trotzdem standen wir nach insgesamt 17 Stunden, 28 Minuten und 34 Sekunden Netto-Zeit wieder unten am Parkplatz und es war vollbracht. Für ganz große Freude gab es keine Energie mehr. Die Realisierung dauerte ein paar Tage. Was ich allerdings in diesem Moment schon direkt wusste: Ohne die Unterstützung von so vielen Menschen, wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. Insbesondere Jessi, Tanja, Luca, Fabi, Dani und Adrian: Ihr seids der Wahnsinn! Auch vielen Dank an die Nordkettenbahn und Die Boerse Innsbruck für die Unterstützung.

Warum Everestig 2/3?

Ach ja, eine Erklärung bin ich euch noch schuldig: Warum Everesting zwei von drei? Ich habe im April 2023 bei eisigen Bedingungen am Patscherkofel schon ein Everesting auf Tourenski gemacht. Nachdem die Kategorie „Trail“ jetzt an der Nordkette abgehakt ist, folgt noch „Bike“ am dritten Innsbrucker Hausberg, um das große Projekt „Triple-Everesting“ abzuschließen. Also trete ich jetzt mal fleißig in die Pedale und wünsch euch allen noch einen schönen Trail-Sommer! 

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