Trailrunning24-Läufer Mario hat den neuen "Experience Wild" von Altra Running einem echten Härte- und Langzeittest unterzogen. Ein Trailschuh, mit diesem Slogan bringt schließlich die Verpflichtung mit sich, den Schuh dort zu laufen, wo er hin gehört: in wildem Gelände! Unser abenteuerlustiger Tester hat den Schuh auf einer einwöchigen Fastpackingtour durch die Pyrenäen probiert.
„Nach dem Härtetest über hunderte anspruchsvoller Trailkilometer kann ich guten Gewissens behaupten, dass der Experience Wild seinem Namen in vielen Bereichen eine Ehre macht und ein sehr vielseitiger Begleiter für abenteuerliche Trail-Touren ist!“
mario hoff/ Team trailrunning24
Laut Hersteller ist der der Experience Wild „auf Leistung ausgerichtet und für griffige, effiziente und leichte Trail-Meilen gemacht. Für mühelose Abenteuer den ganzen Tag! Der Experience Wild ist eine ganz andere Art von Trail-Schuh, der für kilometerlanges, hügeliges Gelände, schnelle Tempoläufe und steile Gipfel gemacht ist.“ Bei diesen großen Tönen war ich natürlich sehr gespannt, ob der Schuh sein vollmundiges Versprechen halten kann. Ich wollte den Schuh deshalb an seine Grenzen bringen. Wollte sehen, wie er sich nach hunderten Kilometern verändert und das in jeglichem Gelände – bis hin zu alpinen Abenteuern!
Ich erinnere mich dabei an die folgenden Worte eines Lauffreundes, als ich die ersten Bilder für diesen Testbericht schoss: „Der Schuh ist ja schon dreckig und total gebraucht!“ Ja richtig – und genau so sollte das für einen Testbericht auch Standard sein! Denn wir liefern keine „Unboxing-Berichte, wo irgendwelche Influencer die Schuhe auspacken und eins zu eins wiederkauen, was auf der Herstellerseite geschrieben steht.
Soviel zu Vorgeplänkel, um jetzt auf den Punkt zu kommen – deshalb hier ein paar…
Fakten zum Schuh
- Zwischensohle: leichter, formgepresster EVA-Schaumstoff
- Außensohle: MaxTrac™
- Standhöhe: 28mm/32mm
- Sprengung: 4 mm
- Obermaterial: Mesh
- Footshape: Standard
- Dämpfung: Mittlere
- Linie: Trail
- Gewicht: 10 oz / 283 g
Zur Passform ist zu sagen, dass der Experience Wild natürlich die Altra-typische FootShape-Form aufweist. Mit viel Platz im Zehenbereich, sodass die Fußmuskulatur in ihrer natürlichen Form arbeiten kann. Er kommt darüber hinaus mit einer Altra-untypischen 4mm Sprengung daher, die einen effizienten Zehenabdruck und ein sanftes, schnelles Abrollen gewährleisten soll. Quasi eine Weiterentwicklung zu der traditionellen 0mm-Sprengung.
Die MaxTrac™-Außensohle verspricht laut Hersteller „Grip, Traktion und Strapazierfähigkeit“. Besonders guter Grip war – vor allem bei nassen Bedingungen – in der Vergangenheit nicht unbedingt das Aushängeschild von Altra-Schuhen, wurde bei den Modellen mit der Vibram-Sohle aber entscheidend verbessert. In diesem Punkt war ich sehr gespannt, wie sich die MaxTrac-Sohle in anspruchsvollem Gelände schlagen wird.
Wie alle Trailschuhe, die ich in den letzten zehn Jahren von Altra am Fuß hatte, verfügt auch der Experience Wild über das sogenannte GaiterTrap™-System, für die einfache Befestigung von Gamaschen.
Was mir bei ersten Reinschlüpfen sofort ins Auge fällt, ist die üppig gepolsterte Zunge. Davon bin ich sehr angetan, denn aufgrund meiner Fußform bin ich meist gezwungen, die Schuhe recht eng zu schnüren, um einen entsprechenden Fersenhalt zu gewährleisten. Dieser Umstand ist mit einer gut gepolsterten Zunge wesentlich besser zu handeln, da man den Schuh viel flexibler schnüren kann. Auf ein – im wahrstem Sinne des Wortes – „einschneidendes Erlebnis“ kann mit dem Experience Wild zum Glück verzichtet werden.
Weiterhin fällt die extra Polsterung im Fersenbereich auf. Ich gehe davon aus, dass damit der Fersenhalt verbessert werden soll, da sich der Schuh durch die Polsterung der Ferse anpasst. Auf den ersten Metern empfinde ich das als sehr ungewohnt bis störend, was sich aber schon nach kurzer Zeit auflöst und nicht mehr als Unterschied spürbar ist. Immer wieder erstaunlich, was für ein Gewohnheitstier der doch Mensch ist.
Die Fersenkonstruktion ist recht hoch gezogen bis in den Achillessehnenbereich. Ein Trend, den man auch bei anderen Herstellern sieht. Dafür kann ich mich allerdings mäßig begeistern, da es bei mir teils zu Scheuerstellen im Achillessehne führt. Zumindest, wenn ich kurze Socken trage, die nur zum Knöchel reichen.
Auf dem Trail
Der Schuh fühlt sich angenehm leicht an und bietet vom ersten Schritt an vor allem eins: Komfort und Wohlgefühl, ohne dabei undynamisch zu wirken. Dank des regenreichen Mai und Juni hatten wir in Deutschland sehr nasse und matschige Trails, was die Testbedingungen für den Experience Wild natürlich sehr interessant und authentisch machten. Ich habe den Schuh auf sehr vielen Untergründen gelaufen, von Intervalleinheiten auf dem Trail, über mehrstündige Geländeläufe, bis hin zu einer 6-tägigen Fastpacking-Tour durch alpine Landschaft, wo ich vom ersten bis zum letzten Sonnenstrahl in den Schuhen unterwegs war. Ich kann nach diesem Härtetest guten Gewissens behaupten, dass der Experience Wild seinem Namen in vielen Bereichern eine Ehre macht und ein sehr vielseitiger Begleiter auf abenteuerliche Trail-Touren ist!
Ich war positiv erstaunt, wie griffig die Sohle auf nassen Steinen und auf schmierigem Untergrund reagiert. Wenn man mit Tempo in tiefen Matsch brettert, schmiert die Sohle natürlich ab. Was aber bei den Allroundqualitäten, die der Schuh mitbringt, nicht verwunderlich ist. Einen Tod muss man bekanntlich sterben. Ein allroundfähiger Schuh kann nicht gleichzeitig ein absolutes Gripmonster bilden.
Kleinere Fehltritte gleicht der Experience Wild mit seiner komfortablen Dämpfung aus. Die Sohle ermöglicht aber durchaus ein dynamisches Lauf- und Abrollverhalten. Allerdings spüre ich durch die 4mm-Sprengung keinen merklichen Unterschied zu meinen Altras Zero Drop. Der Experience Wild ist freilich kein Schuh für die neue PB auf 10km und auch keiner für Sprinteinheiten auf der Bahn. Aber auf dem Trail liefert er jedoch ab und bringt ein gutes Verhältnis zwischen Dämpfung und Abdruck auf den Untergrund. Bei Intervalleinheiten von 5-15 Minuten hat er eine Menge Spaß im Gelände gemacht. Dabei würde ich mir in sehr steilen Downhills aber etwas mehr Halt im Mittelfuß wünschen.
Ich schätze vor allem den Komfort, denn selbst nach 10 Stunden Laufzeit hat sich der Schuh noch angenehm getragen und für keinerlei Druckstellen oder Blasen gesorgt. Interessanterweise hatte ich vor meiner Fastpackingtour mit einer Sehnenreizung im Fuß zu kämpfen, die sich über die Woche komplett rausgelaufen hat. Dem Experience Wild an dieser Stelle medizinische Wirkung zuzusprechen, wäre lächerlich. Aber es ist immer ein gutes Zeichen, dass die Füße sich in dem Schuh sehr wohl fühlen, wenn Sehnenprobleme in einem bestimmten Schuhmodell verschwinden oder zumindest nicht spürbar sind.
Kommen wir noch zu einem sehr wichtigen Punkt: Dem Thema Haltbarkeit! Dieser Punkt kommt in den meisten Testberichten meiner Meinung nach zu kurz.
Haltbarkeit war bisher nicht immer das Aushängeschild von Trailschuhen aus dem Hause Altra. Das Obermaterial kam teils nach wenigen 100km an seine Grenzen und auch die Dämpfungseigenschaften waren bei dem ein oder anderen Modell relativ schnell durchgetreten. Der Experience Wild präsentiert sich erfreulicherweise nach knapp 500km- Laufleistung noch sehr robust und weist keinerlei Schäden auf. Freilich sind die Stollen arg angezählt nach einer Woche im alpinen Gelände und über scharfkantiges Gestein, wo zusätzlich das Rucksackgewicht auf die Sohle drückte. Aber der Abrieb ist in meinen Augen völlig im Rahmen. Es gibt Schuhe, die kannst du nach einer Woche Bergtour komplett in die Tonne hauen, da die Sohle total zerfressen ist. In dem Bereich hat sich der Experience Wild gut geschlagen und auch die Dämpfung arbeitet noch brauchbar.
Zwei Verbesserungsvorschläge habe ich noch: Bei Flussquerungen saugt sich der Schuh sehr mit Wasser voll, wird schwer am Fuß und trocknet langsam. Zudem könnte die Zehenkappe – zumindest für alpine Einsatzgebiete – etwas stabiler gestaltet sein.
Fazit
Mit dem Experience Wild ist Altra Running ein richtig guter Griff gelungen, der seinem Name alle Ehre macht. Ein sehr vielseitiger Schuh und treuer Begleiter für lange Trailabenteuer, Ultratrails und Etappenläufe. Mich haben neben der griffigen Sohle vor allem der Komfort und das tolle Laufgefühl begeistert. Zudem präsentiert sich der Schuh robust und mit guter Haltbarkeit. Der Experience Wild wird deshalb für meinen nächsten Ultratrail die erste Wahl im Schuhregal sein!